31. Oktober 2017

'Eine Schlittenfahrt zum Verlieben' von Marit Bernson

Eine romantische Weihnachtsgeschichte.

Verschneite Berge, Pferdeschlittenfahrten und Rentiere. Beckys neuer Job in einem Berghotel bringt sie direkt hinein ins Weihnachtsparadies. Und dann ist da auch noch Hotelbesitzer Nick, der nach Zimt duftet und es auf geheimnisvolle Weise schneien lässt. Doch warum muss er ausgerechnet mit Beckys Chefin Lisa so gut wie verlobt sein?

Als Lisa Becky bei den Vorbereitungen für die Firmenweihnachtsfeier hängen lässt, besteht ausgerechnet Nick darauf einzuspringen.

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Leseprobe:
Lisa lachte. „Jetzt sei nicht böse! Du liebst es, sowas zu planen. Das hab ich gemerkt. Es wird toll. Und wenn es unbedingt ganz kitschig sein soll, dann ist es eben so. Das gewöhne ich ihm dann nach der Hochzeit ab.“ Etwas klapperte und raschelte auf Lisas Seite. „Ich muss mich jetzt fertig machen. Friseur und Maniküre. Bis morgen!“ Schon hatte sie aufgelegt.
Becky legte ihre Stirn auf die Schreibtischplatte. Es sah so aus, also ob sie wirklich mit Nick allein alles organisieren musste. Vielleicht konnte sie einfach schon mal so viel vorbereiten, dass Nick nichts mehr tun musste.
Sie nahm Lisas Liste. Die Diskussion mit Hank über das Menü hatten sie abbrechen müssen. Das konnte sie jetzt allein erledigen. Die Zimmeraufteilung stand bereits fest. Deko und Rahmenprogramm waren die zwei großen Punkte, die noch blieben. Vorher konnte sie schnell in die Küche gehen und mit Hank das ursprünglich geplante Menü festlegen.
Die Tür ging auf. Nick steckte seinen Kopf herein. Er sah etwas zerknirscht aus.
„Was kann ich für die Feier tun?“, fragte er.
Wenn er den Ausritt nicht erwähnte, dann würde Becky es erst recht nicht tun.

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27. Oktober 2017

'Himmelhochjauchzendhellblau' von Ulrike Busch

„Nicht mit mir!“, donnert der verwitwete Schorschi Scholz, als seine Söhne ihn zum Umzug in ein Seniorenwohnheim drängen. Doch schließlich lässt er sich auf das Abenteuer ein. In der ’Herbstsonne’, idyllisch im beschaulichen Grotenbeek gelegen, wird er ungewollt zum Hahn im Korb.

Seine Tischnachbarin Sonja reißt ihn aus seiner Trauer. Die längst erwachsenen Kinder der beiden Senioren sind darüber nicht begeistert. Schorschi selbst plagt das schlechte Gewissen: Was würde seine verstorbene Alma sagen, wenn er eine neue Partnerin fände? Als weitere Damen um ihn buhlen, wird es ihm zu bunt. Er flüchtet sich an den Timmendorfer Strand. Dort nimmt sein Leben eine ungeahnte Wendung. – Ein Liebesroman für Senioren und gleichzeitig ein Familienroman.

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Für Kindle: Himmelhochjauchzendhellblau
Für Tolino: Buch bei Thalia

Leseprobe:
Schlafquengelig schlurfte Schorschi Scholz aus dem Schlafzimmer im ersten Stock seines Einfamilienhauses. Die linke Faust boxte sich ihren Weg durch den widerspenstigen Ärmel des blau-weiß gestreiften Bademantels. Mit der rechten Hand fuhr der morgenlahme Witwer sich gedankenverloren durch das volle graue Haar. Gemächlich wollte er sich in die Küche begeben, um den Kaffee aufzusetzen.
Plötzlich wurde er von dem markdurchdringenden Klingeln der Türglocke aus seinen Wachträumen gerissen. Er polterte die hölzerne Wendeltreppe hinunter, verknotete den Gürtel des Bademantels und hastete den Flur entlang auf die Eingangstür zu.
Dass er sein Ziel nicht erreichte, lag an dem schmalen Läufer, der seit zweiundzwanzig Jahren die Fliesen zierte. Wie auch immer es dazu gekommen war, der Teppich hatte sich verzogen; am vorderen Ende hatte sich eine schicksalsträchtige Welle gebildet. Schorschi stolperte darüber und der in gedeckten Farben gemusterte Teppich kam unaufhaltsam auf ihn zu.
Im Sturz taumelnd, riss Schorschi den metallenen Schirmständer um. Der wiederum brachte die ebenso kostbare wie hässliche Bodenvase aus dem Gleichgewicht. Das Stück mit dem filigranen Blumenmuster war ein Geschenk seiner Schwägerin zum fünfzigsten Geburtstag von Alma gewesen, seiner vor acht Monaten verstorbenen Frau. Wie oft hatte Schorschi diesen Platzfresser, der einfach immer im Weg stand, schon verflucht!
Während der Hausherr zu Boden ging, beobachtete er, wie das gute Stück auf den harten Fliesen zerbrach. »Au!«, schrie Schorschi, als er mit dem Ellenbogen gegen die Wand knallte und den Bruchteil einer Sekunde später der Länge nach halb auf dem Läufer, halb auf den Fliesen aufprallte. Verdattert blickte er sich um. Tausend Porzellanscherben lagen über den Flur verstreut. Nun würde er die Vase endlich entsorgen können, ohne Alma gegenüber ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Doch dies war nicht der rechte Augenblick, sich darüber zu freuen.
[…]

»Eins ist mal klar«, schleuderte Alfred seinem Vater sechs Stunden später aus dem Autotelefon entgegen, »in deinem Haus bleiben kannst du auf gar keinen Fall. Ich hole Bernhard gleich vom Bahnhof ab. In einer knappen Stunde sind wir bei dir. Dann besprechen wir alles Weitere. Spätestens zum Ende dieses Jahres ist das Haus verkauft, das garantiere ich dir. Ist ein optimaler Zeitpunkt jetzt, ein echter Verkäufermarkt. Dich bringen wir in einem hübschen Seniorenwohnheim unter, dann musst du dich um nichts mehr kümmern. Und da passiert so etwas wie heute auch nicht mehr.«
»Und noch eins ist klar«, brüllte Schorschi zurück. »Ich bestimme immer noch selbst über mein Leben. Ich bin ein erwachsener Mann. Mein Arzt attestiert mir einen klaren Verstand. Niemand außer mir entscheidet, wo ich bleibe. Niemand, hörst du?! Nur weil mein Herz ein bisschen aus dem Tritt geraten ist nach Mutters Tod und weil ich jetzt ein einziges Mal in meinem Haus gestürzt bin, muss ich mir noch lange nicht alles aus der Hand nehmen und mich in ein Heim abschieben lassen!«
Wütend knallte er den Hörer in die Basisstation und schnaubte seinem Spiegelbild zu, das ihn aus dem facettengeschliffenen Kristallspiegel über dem Telefontischchen anblickte. Kopfschüttelnd ging er in die Garderobe und griff nach seiner Jacke. Wie betäubt wandte er sich zur Terrassentür, stapfte in den Garten und ließ sich auf der Bank vor der hohen Buchenhecke nieder.
[…]

Jäh zerriss die schrille Türglocke die spätsommerliche Stille. Schorschi schreckte auf, schritt trotzig zur Tür und legte seine Hand auf die Klinke. Er zögerte einen Moment, bevor er seine Söhne hereinließ, und vermied es, den beiden ins Gesicht zu blicken.
Bernhard ging auf ihn zu und umarmte ihn. »Papa, was machst du denn für Sachen?!« Er trat einen halben Schritt zurück, legte seinem Vater die Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen.
Schorschi suchte in Bernhards Blick nach Halt. In den letzten Stunden hatte sich die Situation für ihn mehr und mehr zu einer schwer erträglichen Ungewissheit entwickelt.
Alfred drängte sich mit einem kurzen »Hallo« an den beiden Männern vorbei, marschierte in die Küche und schaltete die Kaffeemaschine ein.
Der jüngere Sohn geleitete seinen Vater ins Wohnzimmer. Schorschi hatte den Kaffeetisch lustlos mit drei Tassen bestückt und eine Dose mit englischen Keksen in die Mitte gestellt, die er vorhin in der Vorratskammer gefunden hatte. Sie stammte noch von Almas Streifzügen durch die kleinen Spezialitätenläden in der Hamburger Innenstadt.
Bernhard sah sich die Blessuren seines Vaters an. Wenig später brachte Alfred die Glaskanne mit dem frisch gebrühten Kaffee herein. Alle drei setzten sich an ihre Stammplätze aus der Zeit, als sie noch unter einem Dach lebten. Almas Stuhl blieb unbesetzt, doch Schorschi erschien es, als säße seine Frau bei ihnen und beobachtete sie. Beinahe hätte er nach ihrer Hand gegriffen.
Ein, zwei Minuten lang saßen sie stumm, fast ein wenig verlegen da und rührten in ihren Kaffeetassen herum. Dann platzte es wie auf Kommando aus den Söhnen heraus, als hätten sie sich abgesprochen: »Du musst in ein Seniorenheim!«
Alfred saß stocksteif da und sah seinen Vater mit vorgestrecktem Kinn an. Schorschi kam es vor, als wäre Alfred der Vater, der über das Schicksal seines kleinen, widerborstigen Jungen bestimmte, und er, der Achtzigjährige, wäre der Sohn.
Bernhard beugte sich zu seinem Vater vor und ergänzte in fürsorglichem Ton: »Sieh mal, du kannst nicht auf Dauer allein in diesem Haus bleiben. Was kann dir hier nicht alles passieren, ohne dass es jemand bemerkt?! Und außerdem: In dieser Einsamkeit gehst du ein wie eine Primel.«
Das allerdings wäre Schorschi egal gewesen. Sollte er doch eingehen! Dann könnte er bald wieder bei Alma sein. Aber dieses Haus lebend verlassen? Das käme ja gar nicht in Frage! Das Geld für den Bau hatten seine Frau und er sich hart erarbeitet. Ein halbes Leben hatten sie hier verbracht, ihre Söhne unter diesem Dach großgezogen. Und hier, genau hier, spürte Schorschi Almas Geist. Das Haus trug ihre Handschrift. In allen Räumen begegnete ihm ihre Seele. An den Wänden hingen Gemälde, die Alma über die Jahrzehnte hinweg in kleinen Galerien an ihren Urlaubsorten ausgesucht hatte. An Nord- und Ostsee, in Bayern und den Niederlanden, in Österreich und Italien und später auch im Erzgebirge und auf Rügen.
Familienfotos, sogar die alten, mit der Zeit stark vergilbten Hochzeitsfotos standen dicht nebeneinander auf dem Sekretär. Urlaubsfotos. Alma mit verführerischem Lächeln im flotten Badeanzug Anfang der Fünfziger am Bodensee. Eine stolze, strahlende Alma mit den beiden kleinen, adrett gekämmten und gekleideten Jungen auf dem Schoß. Alma an ihrem fünfzigsten Geburtstag in dem eleganten Chanel-Kostüm, das er ihr auf einer Städtetour in Paris gekauft hatte. Und hier, ganz edel eingerahmt: das Foto vom Tag ihrer goldenen Hochzeit. Eine große Feier war das gewesen. Noch gar nicht so lange her …
Schorschi wandte den Kopf ab und sah nach draußen: Und im Garten blühten immer noch die Blumen, die Alma, seine Alma mit dem grünen Daumen, liebevoll gepflanzt, gehegt und gepflegt hatte. Überall duftete es nach Alma. Solange sie in diesem Haus gelebt hatte, war ein Aroma wie von frischen Erdbeeren allgegenwärtig gewesen. Eine Spur davon meinte Schorschi jetzt noch zu atmen. Doch das musste Einbildung sein. Denn mit Alma, so glaubte er, hatte ihn der Sommer mit all seinen Düften und seiner Leichtigkeit und Lebendigkeit für immer verlassen.
Schwermut überkam ihn. Seine Söhne hatten vielleicht nicht ganz unrecht: Was sollte er so allein in diesem Haus? Sich Tag für Tag das ›Essen auf Rädern‹ liefern lassen, ein kurzes Dankeschön an den Fahrer und dann schnell die Tür schließen, bevor die Mahlzeit kalt wurde? Ab und an den Lieferanten vom Supermarkt einlassen, die bestellte Ware entgegennehmen, dem Mann die Scheine in die Hand drücken, sich wortlos das Wechselgeld aushändigen lassen und wieder allein sein – keine Zeit für einen Plausch, der nächste Kunde wartet? Einmal die Woche der Putzfrau die Tür öffnen, sie mit einem knappen »Guten Tag« begrüßen, sich hinausstehlen, um nicht im Weg zu stehen; vier, fünf Stunden später zurückkehren und die Dame mit einem »Guten Weg« verabschieden? Verdammt, und irgendwo da oben wartete Alma auf ihn. – Was hatte er vom Leben noch zu erwarten?
Etwas in Schorschi wehrte sich gegen seine eigenen düsteren Gedanken. Was war los mit ihm? Er hatte doch nie zuvor im Leben einfach aufgegeben. Gab es nicht vielleicht doch eine Möglichkeit, etwas anderes zu tun, als Tag für Tag hier zu sitzen und zu warten, ohne zu wissen, worauf?

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26. Oktober 2017

'Entfesselter Tod' von Marcus Johanus

»Ihr seid wie Ratten in einem Labyrinth. Nur dass es am Ende keine Belohnung gibt, sondern den Tod.«

Berlin schaut einer jungen Prostituierten bei ihrem Todeskampf zu. Das Video ihres Mordes verbreitet sich wie ein Virus. Mit Zwangsjacke und Ketten gefesselt ertrinkt sie in einem Wasserbecken.

Jemand will dem ehemaligen Entfesselungskünstler Christopher Vanick den Mord anhängen. Auf der Flucht vor der Polizei muss er den Killer stoppen und seine Unschuld beweisen. Und der Mörder kündigt an, weitere Menschen zu töten.

Trickreich, gerissen und auf der Flucht: Christopher Vanick im Wettlauf gegen die Zeit.

Gleich lesen: Entfesselter Tod - Thriller

Leseprobe:
Etwas Kaltes drückte in Vickys Stirn.
Sie riss die Augen auf. Grelles Licht blendete sie. Sie lag mit dem Bauch auf Fliesen. Die Keramik verstärkte das grelle Licht wie Schnee die Sonne an einem klaren Wintertag. Tränen schossen ihr in die Augen.
Unter Schmerzen drehte sie den Kopf, um mehr zu sehen.
Das Licht stammte von Scheinwerfern. Ein kugelförmiges Wasserbecken spiegelte die Strahlen. Es zeichnete blaue Schatten auf die Wand dahinter. Das gläserne Becken wirkte wie eine riesige Kristallkugel, in der ein Minivan Platz gehabt hätte. Mehr als groß genug, dass ein Mensch darin komplett verschwinden konnte.
Wieso war sie hier? Wo war sie überhaupt?
Vicky versuchte aufzustehen.
Jemand hatte ihr die Hände auf dem Rücken gefesselt. Handschellen. Das spürte sie sofort, auch ohne sie zu sehen. Es war nicht das erste Mal, dass sie welche trug.
Ein Schatten bewegte sich am Rand ihres Sichtfelds. Sie war nicht alleine hier.
»Hallo?« Ihre Stimme krächzte. Sie musste sich räuspern, sonst hätte sie sich an ihrem eigenen Speichel verschluckt.
Keine Antwort. Etwas klirrte. Etwas Großes, Schweres.
Ketten, die über den Boden geschleift wurden.
Vickys Puls raste. Wo auch immer sie war, das hier würde nicht gut für sie enden. Gar nicht gut.
»Wer sind Sie? Sagen Sie mir, wo ich bin! Bitte …«
Schweigen. Schleifen. Klirren. Schritte kamen auf sie zu. Aber wie sie den Kopf auch drehte, sie konnte nicht erkennen, wer da war. Sie wollte sich auf den Rücken drehen. Aber in dem Augenblick drückte sie jemand grob zurück auf den Boden, indem er ihr das Knie ins Kreuz rammte, und fummelte an den Handschellen herum. Dann verschwand der Druck in ihrem Kreuz und ihre Hände waren frei.
Erleichtert atmete Vicky auf.
Doch nicht so schlimm. Bestimmt ein Missverständnis. War sie hier bei der Polizei? In einer Ausnüchterungszelle? Sie konnte sich nicht daran erinnern, betrunken gewesen zu sein. Die letzten paar Stunden waren allerdings weg. Wie bei einem Filmriss. Und sie fühlte sich verkatert. Wieso konnte sie sich nicht einmal mehr daran erinnern, etwas getrunken zu haben? So heftig war es noch nie gewesen.
Sie wollte sich erneut umdrehen. »Hören Sie, ich -«
Jemand stieß ihr wieder ein Knie in den Rücken. Vicky blieb die Luft weg. Beinahe hätte sie sich vor Schmerzen übergeben.
Der Unbekannte packte sie an den Haaren, riss ihren Kopf nach oben und knallte ihn auf den Fliesenboden. Schmerzen rasten hinter ihrer Stirn.
Vicky schrie. Sie wollte nicht schreien. Lieber wollte sie stark sein. Ihrem Gegner trotzig die Stirn bieten. Aber es gelang ihr nicht.
Sie war nicht das erste Mal in einer heiklen Situation. Hin und wieder drehten Freier durch. Aber das hier war anders. Dieser sterile Ort. Das Licht. Die Brutalität – ohne ein einziges Wort.
Das alles machte ihr riesige Angst.
Wieder schleuderte der Unbekannte sie mit der Stirn gegen die Fliesen.
Er wollte sie betäuben.
Vicky unterdrückte mit aller Willenskraft die Schmerzen, die von ihrer Stirn über ihren Schädel bis ins Rückgrat heiß durch ihren Körper wüteten, und erschlaffte. Blut lief ihr über die Stirn. Das war ihre einzige Chance. Die Augen schließen und so tun, als wäre sie bereits bewusstlos. Was auch immer hier mit ihr geschehen sollte – sie war sich inzwischen sicher, dass es um Leben oder Tod ging. Ihren Tod.
Wenn der Entführer glaubte, sie sei bewusstlos, dann würde er sie vielleicht liegen lassen. Die Handschellen hatte er ja schon gelöst.
Er drehte sie auf den Rücken. Vicky ließ den Kiefer locker nach unten gleiten und hielt die Augen weiter geschlossen. Sie atmete so ruhig, wie sie nur konnte.
Sie hörte, dass ihr Peiniger aufstand und ein paar Schritte zurücktrat.
Sollte sie loslaufen?
Gleich darauf vernahm sie das Rascheln von schwerem Stoff.
Sie öffnete ihre Augen zu einem kleinen Spalt.
Breitbeinig stand die Gestalt über ihr. Schlank, mittelgroß, schwarze Jeans, schwarzer Pullover, mit einer schwarzen Sturmhaube über dem Kopf. Unmöglich zu sagen, ob es sich um einen drahtigen Mann oder eine muskulöse Frau handelte.
Die Gestalt hielt eine Zwangsjacke in den Händen. Daher das Rascheln.
Ihr Peiniger musste ein Mann sein. Nur Kerle kamen auf so einen perversen Scheiß.
Der Maskierte packte Vickys rechten Arm. Ganz offensichtlich wollte er ihn in die Zwangsjacke stopfen. Das durfte nicht passieren. Steckte sie erst einmal in dem Ding, war sie wehrlos.
Jetzt oder nie!
Mit aller Kraft riss sie ihr Bein hoch und zielte auf den Schritt der Gestalt. Egal ob Mann oder Frau, das würde wehtun.
Ein unterdrücktes Stöhnen drang unter der Maske hervor. Die Gestalt sank auf die Knie und ließ die Zwangsjacke fallen. Sie musste sich mit beiden Händen abstützen, um nicht mit dem Kopf auf dem Boden aufzuschlagen.
Fieberhaft streifte Vicky den rechten Pumps vom Fuß, holte damit aus und zielte mit dem Pfennigabsatz auf den Hals des Maskierten. Im letzten Augenblick erkannte er, was sie vorhatte, und wich aus. Vicky traf nur die Schulter.
Ein heiserer Schrei. Ihr Angreifer knallte neben ihr auf den Boden und hielt sich die verletzte Stelle.
Vicky krabbelte von ihm weg und streifte den zweiten Pumps ab. Für einen Augenblick dachte sie daran, mit dem Schuh einen zweiten Angriff zu versuchen. Aber jetzt, da ihr Gegner stöhnend vor ihr auf dem Boden kauerte, konnte sie sich nicht dazu überwinden. Stattdessen stemmte sie sich hoch und rannte mit nichts weiter als den Fischnetzstrumpfhosen an den Füßen los.
Rechts – nicht weit weg – sah sie eine Tür. Sie war groß, aus Metall und wahrscheinlich sehr schwer.
Hoffentlich war sie nicht verschlossen.

Im Kindle-Shop: Entfesselter Tod - Thriller

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24. Oktober 2017

'Aus dem Koma' von Siegfried Langer

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Alle Erinnerungen an mein bisheriges Leben sind ausgelöscht. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin und wie ich heiße.

Eine attraktive Frau, die sich als meine Freundin ausgibt, kümmert sich liebevoll um mich. Doch ich spüre, dass sie mir nicht die Wahrheit erzählt und dass unsere Liebe ein dunkles Geheimnis birgt.

Ein Psychologe, der mir helfen soll, Licht ins Dunkel zu bringen, schafft lediglich eine Vielzahl neuer Rätsel. Ein Kommissar drängt darauf, mich wegen eines Mordes zu vernehmen. Als Zeuge? Oder als Verdächtiger?

Doch nicht nur mein Gedächtnis spielt mir Streiche, sondern zudem auch meine Wahrnehmung. Ich kann niemandem vertrauen, am wenigsten mir selbst ...

Als e-Book für kurze Zeit zum Aktionspreis von nur 1,49 Euro.

Leseprobe:
Ich wusste nicht mehr, wie ich hieß.
Auch die Frau, die neben meinem Krankenbett saß und sagte, sie sei meine Freundin, erkannte ich nicht.
Doch mein Herz signalisierte mir klar und deutlich, dass ich sie liebte. Trotz allem. Immer noch.
Dass sie weinte und ich nicht in der Lage war, sie zu trösten, stimmte mich traurig. Tapfer streichelte sie meine rechte Hand, die auf der Bettdecke ruhte.
Im Handrücken der Linken steckte ein Infusionsschlauch, der mich mit Medikamenten versorgte.
Es kribbelte in meinem Magen.
War der liebevolle Blick der Fremden die Ursache dafür oder doch eher das einsetzende Hungergefühl? Denn bis gestern Morgen hatte ich noch über eine Sonde meine Nahrung erhalten, danach lediglich Suppe - so dünn und geschmacklos, dass sie ihren Namen nicht verdient hatte.
„Susanne“, flüsterte ich leise und strengte mich dabei so wenig an wie nur eben möglich. Kurz stahl sich ein Lächeln in ihr Gesicht. Vermutlich hoffte sie, dass ich mich endlich an sie erinnerte, doch wiederholte ich lediglich den Namen, mit dem sie sich vorgestellt hatte.
„Sebastian“, fuhr ich fort. Doch der Name, der der meine sein sollte, löste genauso wenig in mir aus wie der meiner mutmaßlichen Lebensgefährtin.
Susanne blickte mich hoffnungsvoll-fragend an, aber ich schüttelte lediglich den Kopf.
Sogleich stellte sich wieder dieses Pochen in meinem Schädel ein. Ich zog meine Rechte unter Susannes Hand hervor und tastete nach dem Verband an meiner Stirn.
„Du musst deinen Kopf ruhig halten, Schatz. Möglichst wenig bewegen, hat Dr. Lorenz gesagt.“
Dr. Lorenz, ein weiterer Fremder. Meine Erinnerung an ihn reichte nur wenig weiter zurück als die an Susanne.
„Es ist alles im Moment etwas viel für dich, Schatz.“
Ja, das war es.
Alles, was länger als ein paar Stunden zurücklag, war aus meinem Gedächtnis verschwunden.
Ausgetilgt. Gelöscht. Einfach weg.
Dagegen konnte ich alles, was mich umgab, beim korrekten Namen nennen: Krankenhausbett, Fenster, Tablettenblister, Kanüle. Sämtliche persönlichen Angelegenheiten jedoch blieben in der Finsternis verschwunden.
„Was ist passiert?“, fragte ich.
Das Sprechen schmerzte sehr und klappte nur langsam und undeutlich. Aber Susanne schien mich zu verstehen.
„Eine Kopfverletzung.“
Ja, das spürte ich auch.
„Wie?“
Susanne antwortete nicht, sah mich nur ängstlich an. Sie schien den Zeitpunkt noch nicht für gekommen zu halten, mich mit der Wahrheit zu konfrontieren.
„Dr. Lorenz meint, dass du relativ gute Chancen hast, dass sich dein Erinnerungsvermögen weitgehend erholt.“
Relativ gute Chancen …
Weitgehend erholt ...
Zuversicht hörte sich anders für mich an.
Und ich spürte instinktiv, dass meine Kopfverletzung nicht daher rührte, dass ich beim Auswechseln einer Glühbirne von der Leiter gefallen war.
Mein Gefühl sagte mir mit aller Deutlichkeit, dass mehr dahintersteckte. Etwas viel, viel Schlimmeres.
Gerade als ich alle Kraft zusammengenommen hatte, um resoluter nachzufragen, öffnete sich die Tür.
Eine weitere Person, die ich erst seit Kurzem kannte, trat ein: Schwester Kathrin.
Während Susanne dunkelbraunes, glattes Haar hatte, trug Schwester Kathrin blondes und gelocktes. Der leichte Hüftschwung, mit dem sie eintrat, glich dem eines Models, das Werbung für den Ausbildungsberuf der Krankenschwester machte.
Einerseits lächelte sie freundlich und gütig, andererseits spürte ich, dass mit ihr eine frostige Atmosphäre im Krankenzimmer Einzug gehalten hatte.
Da lag etwas zwischen ihr und mir. Etwas Unausgesprochenes. Etwas, das vor meinem Aufwachen geschehen sein musste.
In der Hand hielt sie einen Teller, den sie nun Susanne entgegenstreckte.
„Möchten Sie es versuchen?“
Susanne nahm den Teller entgegen und Schwester Kathrin reichte ihr zudem eine kleine Gabel.
Auch das, was auf dem Teller lag, erkannte ich sofort und konnte es benennen. Jemand, vermutlich Kathrin selbst, hatte einen Apfel in mundgerechte Stücke geschnitten. Zu meinem Erstaunen wusste ich sogar die Apfelsorte: Golden Delicious.
„Ganz wird er ihn nicht schaffen. Aber es ist wichtig, dass er überhaupt etwas isst, damit die Verdauung wieder in Gang kommt.“
Kathrin hätte das einfach auch direkt zu mir sagen können.
Während Susanne eines der Stücke mit der Gabel aufspießte und zu meinem Mund führte, folgte Schwester Kathrin der Bewegung mit ihrem Blick.
Brav öffnete ich meinen Mund. Der süßliche Geschmack regte sofort meinen Speichelfluss an. Dass ich gesabbert hatte, wurde mir erst bewusst, als Susanne liebevoll mit einem Taschentuch meinen Mundwinkel abtupfte.
„Ist nicht schlimm, Schatz.“
Das Kauen kostete mich ähnlich viel Anstrengung wie zuvor das Sprechen.
Wie lange waren meine Kiefermuskeln nicht in Bewegung gewesen?
Bislang hatte ich mich dies nicht zu fragen getraut.
Tapfer biss ich auf dem Apfelstück herum.
Meine Geschmacksknospen schienen zu explodieren. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals etwas so intensiv geschmeckt zu haben. Aber in meinem gegenwärtigen Zustand hatte dies vermutlich wenig Aussagekraft.
Ich schluckte, doch es funktionierte nicht.
Noch einmal versuchte ich, den Apfelbrei hinab zu bekommen.
Nun klappte es.
Ich freute mich und Susanne entlockte der Erfolg ein begeistertes Lächeln.
Toll! Ich habe ein Apfelstück gegessen! Wollen wir gleich eine Pressemitteilung herausgeben?
„Sie müssen geduldig mit sich sein“, sagte Schwester Kathrin, als habe sie mir meinen Sarkasmus aus den Gesichtszügen abgelesen.
Zu nicken traute ich mich nicht, aus Angst vor einer neuerlichen Kopfschmerz-Attacke, also zwinkerte ich ihr bestätigend mit den Augen zu.
„Mehr?“, fragte Susanne und ich blinzelte erneut.
Ja, ich war ein Held: Ich konnte unmittelbar hintereinander zwei Apfelstücke verputzen!
Ich öffnete meine Lippen und Susanne schob mir das zweite Stück in den Mund.
Für einen Moment ließ ich es einfach auf meiner Zunge ruhen.
Die beiden Frauen beobachteten mich auch weiterhin. Jede Kleinigkeit wurde zu einem Großereignis. Ich aß und die zwei waren begeistert von mir.
Ich war mir ziemlich sicher, dass es in meinem bisherigen Leben deutlich schwieriger gewesen war, eine Frau so zufrieden zu stellen.
Nach dem dritten Stück konnte ich nicht mehr. Zum einen fühlte ich mich pappsatt, zum anderen tat mir bereits der Kiefermuskel weh.
Susanne schien dies zu erkennen. Während sie den Teller wegstellte und wieder meine Hand in die ihre nahm, verließ Kathrin das Zimmer.
„Es wird alles gut werden, Schatz.“
Na, diese Zuversicht hätte ich auch gerne!
„Ganz bestimmt. Bald wird wieder alles so wie früher sein.“
Ich wurde müde.
Ganz allmählich verschwamm Susannes gütiges Gesicht hinter einem Schleier. Ich wollte dagegen ankämpfen, aber es gelang mir nicht.
Sicherlich erhielt ich immer noch Schlafmittel.
Dann glitt ich hinüber in einen traumlosen …

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23. Oktober 2017

'Der Teufel in uns' von Nico Seelinger

Richard ist am Ende: Seit einem halben Jahr tappt er im Dunkeln. Die Mädchenleichen, die sie im Schwarzwald finden, häufen sich, und er hat nicht den Hauch einer Spur. Auch privat steht sein Leben am Abgrund. Seine Ehe ist kaputt und sein Kind wird sterben. Claire soll Richard bei den Ermittlungen unterstützen. Ihre Seele ist allerdings so schwarz wie die des Mörders.

Eine Jagd am Rande des Wahnsinns beginnt …

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Leseprobe:
Er sah ihre Seele an den Rändern ihrer Pupillen. Beim Anblick seiner Augen wollte sie aufspringen und um ihr Leben rennen, doch ihr entblößter Körper gehorchte nicht. So sehr sie in ihren Gedanken auch schrie, ihre Muskeln nahmen die Impulse nicht wahr. Aber noch schrecklicher war der Blick, mit dem er durch ihre kleine Seele blätterte wie durch ein Buch. Durch all die Erinnerungen und Emotionen, die in ihr geschrieben standen. Sie würde nichts spüren, redete sie sich schließlich ein, als die Klinge näher kam. Sie würde keine Schmerzen empfinden. Vincent, flüsterte ihr Kopf. Er hatte es geliebt, an ihrem Haar zu riechen. Manchmal hatte er erst sekundenlang seine Nase in ihren Strähnen vergraben, bevor er sie endlich geküsst hatte. Er hatte das geliebt. Und sie wollte zurück in seine Arme. Da drang die Klinge in ihren Magen ein und spaltete die Haut, die ihn beschützte. Fleisch kam zum Vorschein. Sie fühlte nichts. Fragmente ihrer Vergangenheit blitzten in seinen Augen auf. Augen, die keine Farbe hatten. Sie hatte nie an Übernatürliches geglaubt. Jetzt tat sie es. Sie fühlte nichts, blutete. Wie ein Künstler sein Werk bearbeitete er sie und schien dabei jede Bewegung ihrer Augen zu genießen, als wären das Licht und die Geschichten in ihnen eine Droge. Sie fühlte nichts, blutete – starb. Das dachte sie zumindest, als ihre Sinne sie verließen. Doch es dauerte nicht lange, da kamen sie wieder. Und mit ihnen der Schmerz. Sie schrie auf, als sie ihn spürte. Ihr Körper wurde auseinandergerissen. Panisch tastete sie mit den Händen ihren Bauch ab und fand Blut und rohes Fleisch. Sie schlug um sich, doch nichts geschah, sie hatte keinen Raum, um sich zu bewegen, keinen Platz zum Atmen. Sie zitterte. Sie hatte Angst. Sie flehte um Licht. Doch die Dunkelheit blieb. Und sie stank nach Tod. Aber ein kleines Stück ihrer Seele hatte noch Hoffnung. Ein winziger Funke, der in ihrem Herzen entfacht und in die Höhe geschleudert wurde. Dieser Funke trieb sie dazu, sich ihre Haare auszureißen und so lange am Holz über ihr zu kratzen, bis sich Hunderte Splitter unter ihre Fingernägel getrieben hatten. Doch auch dieser Funke wurde schwächer. Und während mit ihm auch ihre Hoffnung erlosch, dachte sie noch einmal an Vincent und daran, wie er sie immer an sich gedrückt hatte. Als der Funke schließlich auf den kalten Boden traf, schrie sie seinen Namen. Doch er hörte sie nicht. Niemand konnte das. Dieser Sarg war ihre letzte Ruhestätte.

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20. Oktober 2017

'Wenn du mich endlich liebst ...' von Linne van Sythen

Als Annas Baby stirbt, sie ihren Mann beschuldigt und sich trennt, gesteht Bardo ihr endlich seine Liebe. Obwohl er sich rührend um sie kümmert, kann er ihr Herz nicht erobern. Er bedrängt Anna so sehr, dass sie sogar in eine andere Stadt flieht.

Bardo folgt ihr heimlich. Weil sie inzwischen mit Mario zusammen ist, wirbt er nicht offensiv um sie, sondern mailt er ihr über eine Internetpartnerschaftsagentur als Thomas. Als Anna ihn tatsächlich treffen will, zögert Bardo. Was passiert, wenn Anna entdeckt, dass Thomas ihr alter Freund Bardo ist? Und muss er Mario nicht erst von ihr wegtreiben? Besessen taktiert Bardo immer gewagter und verstrickt sich in sein Netz aus Lügen und Intrigen. Dabei kommt Anna ihm auch noch auf die Spur.

Hat er nun endgültig verloren? Oder kann es für ihn und Anna doch noch die ersehnte große Liebe geben?

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Für Kindle: Wenn du mich endlich liebst ...
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Eine halbe Stunde später schreckte Bardo das Tatütata eines Rettungswagens aus seinen Frauensehnsüchten auf. Er blickte durch sein weit geöffnetes Fenster nach draußen. Inzwischen war Wind aufgekommen. Die Blumen in den Balkonkästen des grauen Mietshauses gegenüber flatterten, genauso wie die T-Shirts, Jeans, Handtücher und Badeanzüge, die die Bewohner auf selbst gezogenen Leinen aufgehängt hatten. Hier im dritten Stock schien es ihm, als flöge der Rettungswagen heran.
Das Geheul wurde lauter und lauter. Es brach ab. Hatte der Wagen genau vor seinem Haus angehalten? Er sprang auf und streckte den Oberkörper aus dem Fenster hinter seinem Schreibtisch. Tatsächlich, der Wagen mit Blaulicht auf dem Dach quetschte sich schräg in eine zu kleine Parklücke direkt vor dem Eingang. Die Warnlichter vorn und hinten blinkten. Zwei Sanitäter rannten auf die Haustür zu.
Zu wem wollten sie? Himmel, bitte nicht zu Anna. Er zog den Kopf aus dem Fenster zurück, spürte, wie er noch mehr schwitzte.
Bardo hastete zur Wohnungstür, riss sie auf und beugte sich über das Treppengeländer. Die Sanitäter polterten die alte Holztreppe hinauf. Sehen konnte er sie nicht, nur ihre zwei weißen Kittelarme mit roten Streifen, die sich auf dem Geländer immer weiter nach oben schoben. Im zweiten Stock verschwanden die Arme. Also wollten die Retter tatsächlich zu Anna. Die Raabes, die bei Anna und Pit gegenüberwohnten, waren um diese Zeit nicht zu Hause, arbeiteten in ihrem Buchladen.
Anna! Wenn Anna was passiert war!
Bardo stürzte nach unten. Er sah sich vor wie noch nie, auf der frisch gebohnerten Treppe nicht auszurutschen. Kaum stand er vor Annas Wohnungstür und wollte klingeln, stellte er fest, dass die Tür nur angelehnt war. Bestimmt hatten die Sanitäter sie offen gelassen.
Mit ausholenden Schritten stapfte er den Flur entlang. Beinah stolperte er über eine volle Einkaufstüte vor der Küchentür, aus der Porreestangen und ein Baguette herausragten. Sein Blick schweifte kurz in die Küche. Abwaschberge auf der Spüle, das Frühstücksgeschirr noch auf dem Tisch. Es roch nach angebrannter Milch.
Bardo blieb stehen und lauschte auf die Stimmen. Sie mussten aus dem hinteren Teil der Wohnung kommen. Er lief weiter. Die Tür zu Pits Arbeitszimmer war geschlossen. Im Schlafzimmer erspähte er ein leeres verwühltes Bett. Davor lagen wie hingepfeffert eine Jeans, ein gelbes Hemd, eine karierte Boxershorts und gelbe Socken. Bardo erreichte das Kinderzimmer und blieb in der offenen Tür stehen.
Mitten im Zimmer stand Anna und hielt Sven-Martin an ihre Brust gedrückt. Sie beugte ihr Gesicht tief über das Baby. Die beiden Sanitäter, die dicht bei ihr standen, schauten auch auf das Kind. Bardo atmete auf. Anna war unverletzt. Was war mit Sven-Martin?
Einer der Sanitäter, offenbar der Notarzt, presste ein Stethoskop auf Sven-Martins Brust. Bardo schaute zu Pit. Er stand etwas abseits, lehnte am Kinderbett, die Augen weit aufgerissenen, die dunkelblonden Locken wild zerzaust. Mit beiden Händen umfasste er seine Schultern, so als wollte er sich selbst festhalten. Neben ihm auf dem Wickeltisch entdeckte Bardo einen kleinen, runden Schokoladenkuchen mit einer Kerze in der Mitte. Ihm stockte der Atem.
Blitze schossen ihr grelles Licht in den Raum. Es donnerte zwar verhalten in der Ferne, aber der Wind hatte erheblich zugenommen. Es stürmte. Die Jalousie vor dem Fenster schlug klopfend gegen die Scheibe.
Der Notarzt nahm Anna sanft, aber entschieden das Baby aus den Armen, hielt es waagerecht und musterte es mit besorgtem Blick. Bardo starrte auf das blau-bleiche Gesichtchen und presste die Handflächen gegeneinander. Sven-Martins Wangen, die Nase und Stirn wirkten wie aus Wachs modelliert. Annas weit aufgerissene Augen suchten eine Antwort im Gesicht des Mannes, der ihr Baby fachkundig betrachtete. So blass hatte er sie noch nie gesehen. Er erschrak. Wie stumpf ihre braunen Augen aussahen. Der Arzt sog scharf die Luft durch die Zähne, sein Mund verzog sich. Kaum merklich schüttelte er den Kopf und strich dem Baby zärtlich über die Stirn. Bardo begriff sofort.
Anna faltete die Hände und presste sie gegen Mund und Nase. Diese Geste zeigte Bardo, auch sie wusste es, ohne dass der Arzt nur ein Wort sagen musste. Sven-Martin war tot. Jegliche Farbe wich aus ihrem Gesicht.
Es donnerte lauter. Bardo verbot sich energisch den Gedanken, dass der Himmel dieses so überaus traurige Ereignis kommentierte. Er musste aufstoßen, begann zu frieren.
„Wir müssen die Kripo informieren“, sagte der Arzt leise.
Anna taumelte und sackte zu Boden. Der Sanitäter griff blitzschnell nach ihr, verhinderte, dass sie mit dem Kopf auf den Stuhl aufschlug, der neben dem Kinderbett stand. Bardo wollte zu Anna, wollte sie wieder aufrichten, wollte sie in die Arme nehmen, aber er bremste sich. Pit war ihr Mann. Und der Vater. Warum tat er nichts, verdammt? Er klammerte sich am Kinderbett fest und schaute von Anna zu seinem Sohn und wieder zu Anna. Auf Bardo wirkte er wie gelähmt, wie jemand, der in einen Albtraum gestürzt war und hoffte, gleich aus dem Grauen zu erwachen.
Der Sanitäter hob Annas Beine an. Bardo beobachtete, wie ihr Gesicht wieder ein wenig Farbe bekam. Sie öffnete kurz die Augen und schloss sie wieder.
„Frau Mahler! Frau Mahler!“ Der Sanitäter klopfte sanft auf ihre Wangen.
Anna öffnete die Augen wieder. Bardo seufzte erleichtert.
„Ein Jahr, nur ein Jahr“, stöhnte sie. Ihr Kopf fiel zur Seite.
Er fing ihren Blick auf. „Bardo, Bardo“, flüsterte sie.
Auch die Rettungssanitäter und Pit schauten kurz zu ihm. Der Arzt legte Sven-Martin in sein Bettchen und deckte ihn zu, so als sollte er seinen Mittagsschlaf halten.
Der Sanitäter ließ Annas Beine zurück auf den Boden sinken. Der Arzt öffnete seine große schwarze Tasche. „Wir spritzen Ihnen Valium“, sagte er zu Anna.
Anna riss die Augen auf. „Bardo“, rief sie.
Es schien ihm so, als sagte sie seinen Namen so entschieden und gleichzeitig so flehend, wie er es noch nie von ihr gehört hatte. Das traf ihn ins Herz. Das traf ihn mehr als alle anderen Worte und Sätze, die Anna je zu ihm gesagt hatte.
Er trat ins Zimmer, hockte sich neben Anna und ergriff ihre Hand. Eine schweißnasse und dennoch kalte Hand. Der Arzt zog die Spritze auf.
„Nein, nein, nicht hier“, wimmerte Anna. „Die Spritze nicht hier! Bitte nicht!“ Sie versuchte, sich aufzurichten. „Bitte oben bei dir, Bardo.“ Sie schluchzte auf, zitterte. „Hier bleibe ich nicht.“
Er drückte ihre Hand. „Ich nehme dich mit, wenn du es willst“, sagte er leise. „Komm, ganz ruhig.“ Er sah hinüber zu Pit. Der nahm seine Nickelbrille ab und bohrte den Bügel in seine rechte Wange. Kaum merklich nickte er und presste die Lippen fest aufeinander.
Bardos Gedanken jagten. Warum war Sven-Martin gestorben? Wie konnte das geschehen? So ein gesundes Kind! Und warum wollte Anna zu ihm und nicht in ihr eigenes Bett?

Im Kindle-Shop: Wenn du mich endlich liebst ...
Für Tolino: Buch bei Thalia

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19. Oktober 2017

'Als der Weihnachtsmann seinen Bauch verlor' von Marit Bernson

24 Weihnachtsgeschichten für Kinder.

Was passiert, wenn der Weihnachtsmann zuviel arbeitet? Oder wie feiern Mäuse Weihnachten? Was tun bei Stromausfall an Heiligabend?

Geschichten rund um das Thema Weihnachten. Mit fabelhaften Wesen und Kindern, die dem Weihnachtsfest entgegenfiebern.

Gleich lesen: Als der Weihnachtsmann seinen Bauch verlor: 24 Weihnachtsgeschichten für Kinder

Leseprobe:
Als der Weihnachtsmann seinen Bauch verlor

Es war kurz vor Weihnachten. Das meiste Spielzeug war gebaut und wurde gerade verpackt. Die Artig- und Böseliste war fertig. Jetzt musste der Weihnachtsmann nur noch seine Anziehsachen für den Weihnachtsabend anprobieren.
Er stand vor dem Kleiderschrank, nahm die Hose vom letzten Jahr heraus und zog sie über.
Aber was war das? Er hatte die Hose oben zugeknöpft, aber sie fiel trotzdem auf den Boden herunter.
Der Weihnachtsmann betrachtete sich im Spiegel, hob die Hose hoch, hielt sie mit den Händen fest. Irgendetwas sah komisch aus.
Ein Weihnachtself kam herein.
„Oh, hast du schon angefangen?“, fragte er. „Wir helfen dir doch.“
Ihm folgten zwei weitere Elfen. Zu dritt schauten sie den Weihnachtsmann im Spiegel an, dann den Weihnachtsmann selbst. Der Weihnachtsmann sah ratlos zurück.
„Da fehlt etwas“, sagte die kleine Weihnachtselfe Gwen.
„Ja, aber was?“, fragte der Weihnachtself namens Mo.
„Der Bauch ist weg“, bemerkte der dritte Elf, der Binky hieß.
Jetzt sahen es die anderen auch. Die Hose fiel herunter, weil der Weihnachtsmann keinen dicken Bauch hatte, der die Hose oben hielt.
„Hm“, sagte Binky. „Ich kann dir die Hose enger machen. Aber wenn du mich fragst, sieht ein Weihnachtsmann ohne Bauch komisch aus.“
„Ja“, stimmte Gwen zu. „Ein Weihnachtsmann ohne Bauch? Das geht nicht.“ Sie zeigte auf die Bilder an der Wand, auf denen der Weihnachtsmann mit Bauch abgebildet war.
„Wo ist der Bauch denn hin?“, fragte Mo.
Die Elfen fingen an zu suchen. Im Schrank unter dem Bett. Hinter der Gardine. Aber sie fanden den Bauch nicht.
„Wir müssen alle Weihnachtselfen nach deinem Bauch suchen lassen“, sagte Binky und ging ins Arbeitszimmer vom Weihnachtsmann. Auf dem Schreibtisch stand ein Mikrofon. Binky schaltete es an, und alle Weihnachtselfen in den Werkstätten, in der Verpackungsabteilung, auf den Straßen konnten ihn hören.
„Achtung! Achtung! Das ist ein Notfall. Der Weihnachtsmann hat seinen Bauch verloren. Wir müssen ihn suchen, und alle müssen helfen.“
Alle Weihnachtselfen ließen ihre Arbeit liegen und stehen und fingen an zu suchen. In jedem Schrank und unter jedem Bett. Sogar im Weihnachtsmannschlitten.
Nach einer Weile kam Wilma, eine Weihnachtsheilerelfe. Sie sah den Weihnachtsmann von oben bis unten genau an. Dann nahm sie eins der Bilder von der Wand und hielt es neben ihn. Binky trat neben sie, und abwechselnd schauten sie den Weihnachtsmann und das Bild an.
„Deine Wangen hast du auch verloren“, sagte Binky.
Wilma lachte. „Ja, du hast nämlich abgenommen.“
„Oje“, sagte der Weihnachtsmann. „Ich hab es mir fast gedacht.“
„Und was heißt das?“, fragte Gwen.
„Du hast zu viel gearbeitet, Weihnachtsmann“, sagte Wilma. „Zuviel Arbeit und zu wenig Kekse und Milch.“
„Und was können wir jetzt tun?“, fragte Mo.
„Ganz einfach!“, rief Wilma. „Bis Heiligabend bekommst du Sesselsitzen verschrieben, Weihnachtsmann. Wir Elfen erledigen den Rest. Und jede Stunde isst du mindestens einen Teller Kekse und trinkst ein Glas Milch. Dann hast du zu Weihnachten deinen Bauch wieder. Und den Rest von dir auch.“
Die Elfen geleiteten den Weihnachtsmann ins Wohnzimmer und setzten ihn auf seinen riesigen grünen Ohrensessel.
„Und was soll ich sonst noch tun?“, fragte der Weihnachtsmann.
„Schlafen“, sagte Wilma. „Davon kommt der Bauch am schnellsten wieder. Aber pass auf, dass du Weihnachten nicht verschläfst!“

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17. Oktober 2017

'In guten wie in schlechten Zeiten' von E.M. Tippetts

Chloe hat alles: Sie führt eine glückliche Ehe mit Hollywood-Superstar Jason Vanderholt, ihr erstes gemeinsames Kind ist unterwegs und bald steht die Hochzeit ihrer besten Freundin Lori an, bei der sie die Trauzeugin sein wird. Die Belastungen der vergangenen Jahre liegen hinter ihr … beinahe.

Denn Chris Winters, Chloes Halbbruder, ist immer noch auf freiem Fuß, obwohl er der Hauptverdächtige in einem Doppelmord ist. Die Polizei hat nicht genug Beweise, um ihn zu überführen, aber Chloe ist sich sicher, dass er es war. Schließlich hat er auch versucht, sie umzubringen, als sie noch ein Kind war.

Als Chris anfängt, Lori zu verfolgen, ist Chloe außer sich und setzt alles daran, ihn ein für alle Mal hinter Gitter zu bringen. Sie hat das beste Sicherheitsteam, das man für Geld bekommen kann und trotzdem hat sie das Gefühl, dass ihnen etwas entgeht – und Fehler können in diesem Geschäft tödlich sein. Doch je gründlicher sie nachforscht, desto weniger passen die Puzzleteile zusammen.

Chloe bleiben nur wenige Wochen, um herauszubekommen, wie sie ihre beste Freundin schützen, die Hochzeit vor einer Katastrophe bewahren und Chris zurück ins Gefängnis schicken kann. Sie muss das Rätsel unbedingt lösen, bevor er erneut zuschlägt.

Gleich lesen: In guten wie in schlechten Zeiten (Nicht mein Märchen 5)

Leseprobe:
Während ich in einem Wohnwagen saß und nach draußen über das isländische Hochland blickte, fühlte ich mich, als wäre ich auf dem Mond. Die Einheimischen hatten mir versichert, dass sich unter der trostlosen Decke des Januarschnees eine bezaubernde Hügellandschaft verbarg, gesprenkelt mit großen Felsbrocken, die die Gletscher vor sich hergeschoben hatten. Im Moment war das einzige Anzeichen für Wärme jedoch der Dampf, welcher in der Ferne aus Vulkanschloten emporstieg.
Die Kälte schien durch jede Ritze des Wohnwagens zu kriechen, obwohl dieser alle möglichen Zusatzisolierungen und andere winterfeste Eigenschaften hatte. Die Innenausstattung war hingegen auch nicht anspruchsvoller als das, was eine normale amerikanische Familie in ihrem Campingwohnwagen hatte. Es gab keinen Luxus, nur die beiden Standardbänke, die sich gegenüber standen, zwischen ihnen ein an die Wand geschraubter Tisch, eine Küche, die gleichzeitig als Flur diente, ein Schlafzimmer, das für gewöhnlich leer war und eine Spültoilette – der luxuriöseste Bestandteil des gesamten Gefährts.
Die Luft war feucht und muffig und die Heizung gab einen chemischen Geruch ab, bei dem sich mir der Magen umdrehte, wenn ich mich zu sehr darauf konzentrierte.
Ich wollte nicht launisch sein. Ich tat mein Äußerstes, um meine Stimmungsschwankungen im Zaum zu halten, aber ich war auch im siebten Monat schwanger – und dieser Zustand war das Einzige, was mich hier warm hielt. Auf die Sitzbank gezwängt, die Schultern nach vorne gebeugt, damit mein Babybauch unter den Tisch passte, konnte ich es mir beim besten Willen nicht bequem machen. Ich hatte die Wahl, entweder so zu sitzen oder mich zur Seite zu drehen, die Beine auf der Bank auszustrecken und mich mit dem Rücken an die kalte, unergonomische Wand zu lehnen.
Aber ich saß Jason Vanderholt gegenüber, der im echten Leben genauso heiß aussah, wie auf der Leinwand. Er hatte die blauen Augen geschlossen und seine Lippen bewegten sich stumm, während er im Kopf seinen Text durchging. Dann atmete er tief durch und wurde ruhig. Er schlüpfte in seine Rolle und ich wollte den Prozess nicht stören. Kurz darauf spielte er mit den Fingern seiner rechten Hand an seinem Ehering herum. Das war ein Tick, der mir bei ihm bis jetzt noch nicht aufgefallen war.
Draußen unterhielten sich gedämpfte Stimmen und jemand trug ein Boom-Mikrofon am Fenster vorbei. Normalerweise arbeitete Jason in Studioproduktionen mit riesigem Budget, aber das hier war eine kleine Indie-Produktion, daher auch der aufs Wesentliche reduzierte Wohnwagen. Es fühlte sich wie ein Campingausflug mit Kameraequipment an.
„Es schneit wieder!“, rief jemand.
Das hier war ein irrsinniger Ort, um einen Nostalgiestreifen über einen Mann zu drehen, der seiner verstorbenen Tochter nachtrauerte. Und eigentlich war es unter den gegebenen Umständen auch eine ziemlich makabere Entscheidung von Jason, einen Film über den Verlust einer Tochter auszusuchen. Unser ungeborenes Baby war ein Mädchen. Aber ich hatte gelernt, dass dies dazugehörte, wenn man mit einem Typen verheiratet war, der seinen Lebensunterhalt mit Kunst verdiente. Wahrscheinlich würde er noch des Öfteren emotional düstere Rollen spielen, die im Kontrast zu seinem idyllischen Leben standen.
In diesem speziellen Fall war es die Drehbuchautorin und Regisseurin gewesen, wegen der er sich für dieses Projekt entschieden hatte. Ihr Name war Priya Singh und er war davon überzeugt, dass sie der nächste große Star sein würde. Sie hatte Island aufgrund einer Reihe von filmästhetischen Gründen gewählt, die ich nicht ganz verstand, Jason aber befürwortete – also, waren wir hier. Das wenige Geld, das zur Verfügung stand, wurde dazu genutzt, die Schauspieler und die Crew warm zu halten, anstatt ihnen andere Annehmlichkeiten zukommen zu lassen.
Ein Klopfen an der Tür kündigte die Lieferung des Mittagessens an. Der Großteil der Crew aß vom Catering, aber Jason hatte einen Privatkoch engagiert, um für die Schauspieler zu kochen, damit sie ihre perfekt ausbalancierten Mahlzeiten essen und ihre muskulösen, fettfreien Körper behalten konnten.
Ich schob mich mühsam von meiner Bank, um die Tür zu öffnen und in der Tat fiel mal wieder reichlich Schnee. Ich dankte der Produktionsassistentin, die mir das dampfende Tablett überreichte und sie grinste mich an, bevor sie wieder im Schneegestöber verschwand.
Jetzt fühlte es sich wie eine Expedition in die Arktis an.
Jason hatte die Augen wieder geöffnet und lächelte, als ich das Tablett an den Tisch brachte.
„Was ist los?“, fragte er.
„Nichts. Ich bin nur eine mies gelaunte, schwangere Lady, das ist alles.“
„Auf einer Skala von eins bis zehn, wie gelangweilt bist du hier?“
Ich schob sein Gericht zu ihm herüber und zog meines näher an mich ran. Es war Vollkornreis mit gedünstetem Gemüse und gegrilltem Hühnchen – wieder mal.
„Langeweile ist gut“, sagte ich. „Bald werde ich keinen freien Moment mehr haben, um mich zu langweilen, nicht wahr?“ Ich zeigte auf meinen Babybauch.
„Du darfst dich ruhig beschweren, weißt du.“
„Muss ich aber nicht, wenn ich nicht will. Du kannst mir nicht sagen, was ich zu tun habe.“
Da entschied unser Baby, aufzuwachen und mir einen ordentlichen Schlag gegen meine unteren Rippen zu verpassen. Ich fuhr zusammen.
„Verprügelt sie dich wieder?“
„Ist nicht schlimm.“
„Hey da“, befahl er. „Hör auf, deiner Mama weh zu tun, okay? Hier spricht dein Vater.“
Das Baby beruhigte sich.
„Oh, na klar“, sagte ich. „Hör auf ihn, aber nicht auf mich.“
Mein Smartphone klingelte und der Name meiner Freundin Lori erschien im Display. Ich blinzelte überrascht und hob ab. Sie lebte in New Mexico, wo es gerade fünf Uhr morgens war.
„Hey, alles in Ordnung?“, fragte ich.
„Tut mir leid, dich zu stören.“
„Du störst doch nicht, sei nicht albern. Ich sitze in einem Wohnwagen mitten im isländischen Hochland. Apropos, es könnte sein, dass die Verbindung zwischendurch weg ist.“
Am Filmset gab es einen Handysignalverstärker, ebenfalls von Jason zur Verfügung gestellt. Doch bei einem Schneesturm funktionierte er nicht immer zuverlässig.
„Chris war gestern Abend hier.“
„Was? Und du rufst mich jetzt erst an?“
Die Verbindung brach ab.
Ich unterdrückte einen Fluch und wählte ihre Nummer, hatte aber keinen Empfang.
„Alles in Ordnung?“, fragte Jason.
„Mein gemeingefährlicher Bruder hat Lori einen Besuch abgestattet, also nein.“

Im Kindle-Shop: In guten wie in schlechten Zeiten (Nicht mein Märchen 5)

Mehr über und von E.M. Tippetts auf ihrer Website.



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16. Oktober 2017

'Die Mino-Saga' von O.E.Wendt

Dieses dreiteilige Epos aus längst vergangenen Zeiten lässt Drachen erwachen, Elfen fliegen, Magier ihre Wunder wirken und das Schwache gegen das Starke kämpfen. Mit dem ersten Teil „Mino und die Elfenherrin“ lag O.E.Wendt im letzten Jahr beim Storytelleraward von Amazon bei den Kundenbewertungen unter den besten zehn von über 2.000 Titeln.

Boshaftigkeit, verborgen in dunklen Bergwälder, finstere Mächte, aus den Tiefen der Erde kriechend und Wesenheiten, vielfältiger sie kaum sein können; wunderbare Lichtgestalten, böse und gute Hexen, aber Kreaturen auch, die uns noch nie begegnet sind. Sie alle sehen sich bedroht durch einen von Menschen beschworenen Dämon, der das Licht scheut und seine Kraft einzig aus Leid und versiegendem Leben schöpft, aus dem Tod. Nur der junge Mino ahnt, dass seine Wanderung das Verlöschen aller Hoffnung zu verhindern vermag.

Gleich lesen: Die Mino-Saga (Reihe in 3 Bänden)

Leseprobe:
Elrado hatte nur ein kleines Feuer entfacht. Als es beinahe verloschen war, wachte Mino wieder auf. Er wusste nicht, was genau ihn geweckt hatte, ein Geräusch oder ein Traum? Neugierig lugte er aus seiner Schlafhaut und lauschte. Für eine so finstere Nacht war dieser Wald laut. Ge­zirpe und Gesumme, Knacksen im Geäst und Gurren in den Zweigen über ihnen. Nein! Geräusche waren es wohl nicht, die ihn weckten. Er blickte zu den anderen hinüber. Sein Vater und Kumrado schliefen tief und fest. Die letzten Holzstückchen knackten in der Glut vor sich hin und durch die Feuchtigkeit des Waldes konnte er überall Tropfen zu Boden oder auf große Blätter platschen hören. Der ganze Wald lebte unheimlich, als hätte er einen eigenen Atem. Kein Mond, kein Stern war zu sehen und besonders weit bot die Glut nun auch keine Sicht mehr. Mino zündete eine kleine Windlampe an. Aufstehen wollte er jedoch nicht. Noch nie hatte er woanders geschlafen, außer bei den Kumrados. Und besonders heimelig war es gerade nicht. Sein Vater hatte ihm gesagt, dass sie morgen Abend die Mitte erreichen würden und dummerweise genau hindurch mussten. Hätten sie das erst hinter sich, kamen sie angeblich in das Gebiet der Elfen. Dort leb­ten sie und man erzählte sich, dass es wunderschön an diesem Ort sei. Mino stellte es sich vor und bemerkte dann, wie viele Zikaden in die­sem Wald umherschwirrten. Viel mehr als draußen auf den Wiesen. Wenn er genau darauf achtete, kam es ihm wie ein gigantisches Kon­zert vor oder wie ein wichtiger Wettkampf, den die Tierchen ausführ­ten. Ständig hatte er das Gefühl, etwas krieche in seine Schlafhaut oder nestelte in seinen Haaren herum. Er wollte sich nun aber zusammen­reißen und führte sich vor Augen, dass dies gerade der erste Tag war, an dem er von zu Hause fort war. Und wäre er nun auf seinem Jugendpfad, hätte er diese Nacht völlig alleine durchste­hen müssen. Im Übrigen war es letztlich nur ein Wald, redete er sich ein. Natürlich hatte er viele Geschichten über ihn gehört, wie über fremde Länder auch. Aber die Welt bestand nicht nur aus Zauber und geheimnisvollen unerklärlichen Begebenheiten.
Aber es gibt sie, flüsterte eine feine Stimme in seinem Ohr. Mino drehte sich erschrocken um. Es war niemand zu sehen.
„Ich habe eine Mädchenstimme gehört“, sagte er leise und schaute zu sei­nem Vater und Kumrado hinüber. Sie schliefen noch immer. Es mochte Mitternacht sein. Ihm war, als sei jedes Geräusch um ihn herum plötzlich erstickt.
„Ist da jemand?”, flüsterte er. Seine Augen traten ängstlich hervor. Er hörte ein Kichern, dann ein Surren und wieder ein Kichern. Diesmal aus einer anderen Richtung. Alles andere war still. Mino hockte sich hin, versuchte etwas zu sehen im Schein seines Windlichtes, konnte jedoch nichts erkennen. Ihm kam es nun wirklich sehr warm vor. Aber er wusste, dass es nicht an der Schlafhaut lag, die Kumrados Frau so liebevoll zusammengenäht hatte. Da war das Surren wieder. Es kam direkt hinter dem Felsen hervor. Mino schaute vorsichtig um die Ecke, verließ aber seine Schlafhaut nicht und fiel deshalb hin. Er­neut wurde gekichert und als Mino aufschaute, sah er ein kleines We­sen, sehr filigran, nur bienengroß, umgeben von einem Schimmer und Glanz wie Millionen kleiner Goldpartikel, die von seinen kleinen Flügelchen herzurühren schienen. Erst als er genauer hinsah, er­kannte Mino diese zarten Flügelchen und das wunderschöne Antlitz eines winzigen Mädchens.
„Ein Elfenmädchen“, flüsterte er, ließ den Mund danach offen stehen. Das Wesen tänzelte hin und her und lächelte. Sie kicherte noch ein­mal kurz und flüsterte dann: „Komm zu mir rüber, Mino, komm rüber! Pssst! Sei leise, wir wollen doch niemanden wecken!”
Ohne überhaupt nachzudenken, ob es eventuell ein Trug oder die Falle eines verschlagenen Trolls sein könnte, kroch Mino aus seiner Schlafhaut und folgte dem Mädchen. Überall, wo sie entlangflog, zog sie einen feinen Duft und eine leichte golden schimmernde Glanz­spur nach sich. Auf der anderen Seite des Felsens schwebte sie auf der Stelle.
„Hier können wir bleiben. Dort drüben hätten wir sonst jemanden unnötig aufgeweckt.“
„Bist du eine Elfe?”, wollte Mino sich vergewissern. „Pssst! Nicht so laut, Mino.“ Sie legte sich einen Finger vor den Mund. „Ja, du hattest schon ganz Recht, ich bin ein Elfenmädchen und dürfte eigentlich gar nicht hier bei dir sein.“ Verstohlen schaute sie um sich.
„Was tust du dann hier?”, fragte Mino.
„Ich war neugierig und wollte dich sehen.“
„Mich sehen?“ Das konnte Mino nicht verstehen. Was sollte an ihm besonderes sein? Er war ein Junge von sechzehn, der wahrhaftig nicht glorreich genug für den Inhalt einer ihm vorauseilenden Ge­schichte war. Warum kannte sie ihn?
„Unsere Herrin hat uns von dir erzählt. Tatsächlich bist du wirklich ein hübscher Bengel. Aber das habe ich auch früher schon bemerkt.“
Mino war so fasziniert von ihrer Erscheinung, dass er kaum darauf achtete, was sie sagte. Sie tänzelte immer noch hin und her, schim­merte und glitzerte wie ein kleiner Goldregen. „Sie hat uns einiges über dich erzählt. Ich hoffe wirklich sehr, ihr werdet euren Brüdern und Schwestern helfen können. Eigentlich bin ich mir ganz sicher, dass ihr das könnt. Schließlich ist das erst der Anfang.“
„Ich verstehe das nicht so ganz“, sagte er. „Was hat eure Herrin denn erzählt? Anfang von was?“
„Na, ich spreche von diesem fiesen Habier, der die ganzen Leute aufge­wiegelt und unter seinen Einfluss gebracht hat. Er kommt nicht aus dieser Gegend und ist ganz gewiss kein Mensch wie du und deine Brüder es seid.“
„Dann weißt du, was drüben vorgeht?”, fragte er sie.
„Oh, ja. Natürlich. Uns Elfen entgeht nichts, was diesen Wald betrifft. Er gehört uns von Anbeginn.“
„Kannst du es mir nicht erzählen? Ich weiß nicht viel über diesen Ha­bier. Nur das, was mein Vater mir schon erzählt hat“, meinte er ohne auch nur einen Moment den Blick von ihr zu lassen.
„Deshalb bin ich ja hergekommen. Auch wenn es gar nicht erlaubt ist. Ich habe dich schon manches Mal beobachtet und fand dich immer sehr nett. Und genau deshalb wollte ich dir ein wenig helfen.“
„Aber warum helfen die Elfen nicht direkt den Mädchengesegneten? Wenn ihr uns helfen könnt, dann denen drüben doch auch“, entgeg­nete Mino.
„Du magst ein Stück weit Recht haben“, antwortete sie. „Doch in die­sem Fall handelt unsere Herrin ja nicht nur für euch. Sie würde gleichzei­tig gegen jemand anderen handeln. Und dieser Jemand kommt nicht aus unserem Land. Er ist gar nicht fassbar. Und bedroht uns ja nicht unmittelbar. Deshalb kann sie nichts tun. Zumindest nicht viel.“
„Aber du hast eben gesagt, du möchtest mir helfen“, widersprach er.
„Ich helfe dir nicht mit Elfenzauber. Ich sage Dir nur wie es ist“, sagte sie, weiterhin tänzelnd.
„Selbst wenn es nicht erlaubt ist“, meinte Mino. „Ihr könntet doch eine Ausnahme machen.“
„Oh, das würden wir alle gerne tun. Ich bin mir sicher, ein jedes Elfen­kind hat schon versucht gegen die Gebote unserer Herrin zu handeln, sei es aus Spaß, Unbesonnenheit oder einfach nur Unwissen­heit. Doch selbst wenn wir noch so sehr Gutes tun möchten, es gibt leider Grenzen.“

Im Kindle-Shop: Die Mino-Saga (Reihe in 3 Bänden)

Mehr über und von O.E. Wendt auf seiner Website.

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13. Oktober 2017

'Kellerasseln: Kommissar Braunagels fünfter Fall' von Carmen Mayer

In einem Ingolstädter Innenhof wurde ein Zuhälter erschossen: Benno Krüger. Walter Braunagel und seine Kollegin Maxi Wöhrl zweifeln daran, dass es sich um einen Mord ‚im Milieu‘ handelt.

Maxi Wöhrl beschäftigt zudem ein privates Problem. In der Schule ihres Sohnes gibt es handgreifliche Auseinandersetzungen mit schwerwiegenden Folgen.

Die Kommissare werden zu einem neuen Fall gerufen: drei tote Neugeborene. Eines steht fest: Der tote Zuhälter war eng mit ihrer Mutter verwandt. Fast gleichzeitig finden sie heraus, dass Benno Krüger hinter den Schlägereien an Ingolstadts Schulen steckt. Ein anonymer Hinweis führt die beiden Kommissare auf die Spur von Bennos Schwester.

Gleich lesen:
Für Kindle: Kellerasseln: Kommissar Braunagels fünfter Fall (Krimi 41)
Für Tolino: Buch bei Thalia

Leseprobe:
Sie packte das tote Baby in ein Handtuch, ging in den Schuppen und begann, ein Loch in die Erde zu graben. Darin versenkte sie das Bündel, klopfte die Erde darüber fest, stellte das beiseitegeschobene Regal darüber und wankte zurück zum Haus. In ihrem Zimmer zog sie mechanisch eine neue Spritze auf und setzte sich einen weiteren Schuss. Dann vergaß sie alles um sich herum.

»Was haben wir denn mit Drogendealern zu tun?«
Maxi Wöhrl signalisierte Walter Braunagel mit den Augen, was sie von dem Telefongespräch hielt, für das sie sich offenbar nicht zuständig fühlte. Doch dann stand sie plötzlich auf.
»Ah ja. Okay, wir sind unterwegs.«
»Was ist?«, fragte Braunagel über den Bildschirm seines Computers hinweg. Ihm war viel zu heiß an diesem Vormittag, als dass er Lust gehabt hätte, sich mehr als unbedingt notwendig zu bewegen.
»In der Altstadt wurde die Leiche eines Zuhälters gefunden. Erschossen«, erklärte die Kommissarin, die bereits zur Tür gegangen war. »Kommen Sie mit?«
»Ein Zuhälter.« Braunagel strich sich mit der Hand über die Augen. »Und weiter? Was ist mit dem Drogendealer?«
»Erschossen.«
Braunagel schaute sie irritiert an.
»Der Zuhälter oder der Dealer?«
»Der Typ war dem Kollegen zufolge«, sie zeigte in die Richtung ihres Telefons, »Zuhälter und hat außerdem mit Drogen gedealt.«
»Von mir aus können die sich …«
»… was auch immer. Ja, können sie«, unterbrach Maxi Wöhrl ihn. »Hat wohl einer in die Tat umgesetzt, Ihre Idee. Macht Sie schon mal schwer verdächtig. Was ist, kommen Sie jetzt?«
Braunagel war inzwischen auch aufgestanden und folgte seiner Kollegin zur Tür.
»Frechheit, sowas.«
Maxi Wöhrl zuckte nur die Schultern. Auf was oder wen auch immer Braunagels Bemerkung sich bezogen haben mochte: Sie stand darüber.
»Es hat gefühlte zweihundert Grad im Schatten da draußen. Wer erschießt denn bei den Temperaturen einen Zuhälter auf offener Straße?«, knurrte er. »Das erledigen die doch für gewöhnlich nachts in finsteren Gassen und verscharren dann die Leiche irgendwo im Gemüsebeet.« Er zog die Bürotür hinter sich zu. »Da ist es auch nicht so verdammt warm.«
»Nicht auf der Straße«, korrigierte ihn seine Kollegin nach einem abgrundtiefen Seufzer. »Es ist ein Innenhof im Bereich der Altstadt.«
»Das macht natürlich einen deutlichen Unterschied.« Braunagel krempelte seine Hemdsärmel hoch. Er mochte den Sommer, aber er hasste Temperaturen über 23 Grad. Weil er dann schwitzen musste und sich in seinen Klamotten unbehaglich fühlte.
Wer sagt eigentlich, dass man keine Schwitzflecken haben darf?, grübelte er. Die Kosmetikindustrie, die ihre übermäßig parfümierten Mittelchen dagegen verkaufen will. Alle riechen nach dem Zeug. Das verbiegt einem ja die Nase.
Wie gesagt: Ihm war einfach viel zu heiß.
»Schon.«
»Wie?«
Er hatte völlig den Zusammenhang verloren.
»Es macht einen deutlichen Unterschied … Ach, vergessen Sie’s.«
Die Kommissarin hielt die Glastür zum Treppenhaus für ihn auf.
»Wie kommen Sie eigentlich auf Gemüsebeet?«, wollte sie wissen, und ging vor ihm die Treppe hinunter. »Lief das in Würzburg so?«
»Nicht unbedingt«, gab er zu und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Lifttür. »Das wäre meine Vorstellung davon, sie zu entsorgen. Dann wären sie wenigstens noch zu irgendwas nützlich.«
Maxi Wöhrl warf einen Blick über die Schulter. Als sie Braunagels schiefes Grinsen sah, tippte sie sich an die Stirn.
»Muss einem auch erst mal einfallen: Gemüsebeet«, sagte sie. »Ich möchte nicht Ihr Opfer sein, Braunagel.«
»Dann rate ich Ihnen, sich in jeder Situation daran zu erinnern, wer Ihr Chef ist.«
»Verstanden, Chef!« Maxi Wöhrl legte die Rechte an einen imaginären Mützenrand. »Wer fährt, Chef?«
Braunagel winkte ab und ging auf die Beifahrertür zu.
Als sie im Auto saßen, betrachtete er nachdenklich ihr Profil. Sie hatte ihre dunkelblonden Haare wie üblich mit einem Gummiband zu einem Pferdeschwanz gebunden, der heute aber im Gegensatz zu sonst ziemlich zerfleddert aussah.
Braunagel hatte sie anfangs gar nicht so richtig wahrgenommen, als er nach Ingolstadt kam. Sie war einfach da gewesen, hatte ihre Arbeit im Innendienst erledigt, und war nach Dienstschluss wieder verschwunden.
Bevor sein damaliger Kollege Engelbert Stiegler sich in den Ruhestand verabschiedete, hatte er Braunagel auf sie aufmerksam gemacht. Da Engelbert bislang eher indifferent schien, was die Kolleginnen und Kollegen betraf, schenkte Braunagel seinen wenigen Worten über ‚die Maxi‘ seine ganze Aufmerksamkeit.
»Ich heiße einfach nur Maxi, nicht Maximiliane oder so«, hatte sie ihm erklärt, als er sie darauf ansprach.
Er beobachtete ‚die Maxi‘ in der Folgezeit etwas genauer und stellte fest, dass sie genau die Person war, die er an seiner Seite haben wollte.

Im Kindle-Shop: Kellerasseln: Kommissar Braunagels fünfter Fall (Krimi 41)
Für Tolino: Buch bei Thalia

Mehr über und von Carmen Mayer auf ihrer Website.

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12. Oktober 2017

'Im Meer des Glücks' von Rachel Parker

Der tragische Tod ihres kleinen Bruders wirft Emma aus der Bahn. Kurz vor ihrem Staatsexamen geht die angehende Ärztin nach Kalifornien, dort will sie einen Neuanfang wagen. Während der Reise lernt sie den attraktiven Rechtsanwalt Michael kennen. Sie erliegt seinem Charme und stürzt sich in eine heiße Affäre.

Emma beendet ihre Ausbildung und fühlt sich zu ihrem Kollegen Paul hingezogen. Doch diese Freundschaft steht unter keinem guten Stern; eine belastende Vergangenheit, dunkle Familiengeheimnisse sorgen immer wieder für Unruhe und stellen Emmas Welt auf den Kopf. Wird sie in Kalifornien bleiben und ihren Weg alleine gehen, oder findet sie das, wonach sie immer gesucht hat, eine Liebe fürs Leben?

Ein Liebesroman - gefühlvoll und prickelnd, tragisch und leidenschaftlich.

Gleich lesen: Im Meer des Glücks

Leseprobe:
Der Anflug auf San Francisco versetzte mich in Hochstimmung. Strahlend blauer Himmel. Das Meer glitzerte wie kleine Kristalle im Sonnenlicht. Die Stadt schmiegte sich an die Hänge und erstreckte sich entlang der gesamten Küste. Deutlich erkannte ich bereits die Golden Gate Bridge – welch ein atemberaubender Anblick! Ich rutschte ungeduldig auf meinem Sitz herum. Endlich kam ich meinem Ziel näher und konnte auf diese große imposante Stadt im Süden Kaliforniens blicken. Die Autos schlängelten sich wie Spielzeuge durch die Straßen. Vereinzelt erkannte man nun Menschen; wie Ameisen wuselten sie zwischen den Häusern umher. Nach der Ansage des Kapitäns, landeten wir wenige Minuten später auf dem Flugrollfeld und er parkte unser Flugzeug an einer der Gangways. Sofort setzte Hektik ein, alle drängten gleichzeitig zum Ausgang der Maschine, um sich kurz darauf an der Gepäckausgabe zu treffen. Immer das gleiche Spiel, dachte ich genervt und setzte mich auf meinen Kofferwagen. Die empfundene Hochstimmung wich der Realität.

Mein Handy klingelt immer dann, wenn ich beschäftigt bin! So auch jetzt. In diesem Moment wurde ich wütend. Fast alleine stand ich am Gepäckband 10 des San Francisco International Flughafens und merkte, dass mir ein Koffer fehlte. Ich fror, denn wie in allen öffentlichen Gebäuden in Amerika zeigte das Thermometer Richtung Gefrierpunkt. Menschen verschiedener Nationalitäten hasteten vorbei, ein Mix aus allen Sprachen der Welt zog an meinen Ohren vorbei und es herrschte mehr Basar-Atmosphäre als Flughafen-Flair. Aber meine Sinne täuschten mich sicherlich, denn ich war übernächtigt und nervös. Was würde mich in dieser Metropole und an meinem neuen Arbeitsplatz erwarten? Das Display zeigte mir meine Mutter an.
»Hey, Mama«, begrüßte ich sie. Ich war genervt, oh, ja, das war ich wirklich.
»Emma, ich wollte nur fragen, ob du gut gelandet bist? Du hättest mir doch eine Nachricht schicken können … «
Immer diese Vorwürfe meiner Mutter! Oft unterschwellig aber dieser Vorwurf kam mal wieder sehr direkt.
»Mama, ich bin vor Kurzem gelandet und habe andere Sorgen, als dir zu schreiben. Einer meiner beiden Koffer fehlt.«
»Ach, Kind, du weißt doch, wie ich mir Gedanken mache. Aber das mit dem Koffer schaffst du. Der wird schon noch auftauchen. Vielleicht ist er der Letzte. Habe doch etwas Geduld, sei nicht immer so negativ. Melde dich bald mal.«
Die Leitung wurde unterbrochen. Na toll, erst Vorhaltungen machen und dann einfach auflegen. Wie ich das hasse. Aber so war sie, meine Frau Mama. Immer taff, um keine Antwort verlegen und desinteressiert, was mich betraf. Frei nach dem Motto: Das wird meine Tochter schon selber meistern. Ich sah sie bildlich vor mir, mit ihrem breitkrempigen Strohhut, den sie im Sommer so gerne trug und auch in ihrer Galerie nie absetzte. Egal welche Jahreszeit, meine Mutter setzte immer einen Hut auf, mal sportlich, mal elegant. Ihre dunkelbraunen Haare trug sie meistens hochgesteckt. Sie hatte eine schlanke Figur wie ich auch, das Einzige, was ich augenscheinlich von ihr hatte.
Ansonsten ähnelte ich meinem Vater, der ein besonnener und herzlicher Mensch war, immer für andere da, eher zurückhaltend und er drängte sich niemandem auf. Wir standen beide nicht gerne im Mittelpunkt, ganz anders als meine Mutter. Ihr oder besser gesagt mein Glück war es, dass uns nun Tausende von Kilometern trennten. Und damit auch ein gemeinsames Erlebnis vor Jahren, das unsere Familie entzweite.
»Vermissen Sie auch Ihren Koffer?«
Ein junger Mann, etwa in meinem Alter, war neben mich getreten. Gedankenverloren wie ich vor mich hin starrte, hatte ich ihn gar nicht bemerkt. Ich blickte mich um. Wir waren mittlerweile die letzten Passagiere, die auf ihr Gepäck warteten.
»Mir fehlt noch ein großer Koffer. So ein Mist aber auch. Und nun?« Frustriert richtete ich meine Frage an den Unbekannten, was gar nicht meine Absicht war. Genau in diesem Moment wurde das Förderband abgestellt. Eigentlich nicht meine Art, aber ich fühlte mich verloren und schob meinen Ausbruch auf die Übermüdung vielmehr der Erschöpfung nach einem Langstreckenflug zurück. Ich band meine langen blonden Haare mit einem Gummiband locker zusammen. Dies tat ich immer, wenn ich erschöpft übermüdet und angespannt war. »Das kann doch alles nicht wahr sein!«
»Kommen Sie, ich hatte das schon zweimal und weiß, wo man sich hinwenden muss.«
Dankbar und müde schloss ich mich ihm an.
»Übrigens, ich heiße Michael Metzler.« Freundlich reichte er mir seine Hand. Jetzt schaute ich ihn mir näher an und blickte in funkelnde blaue Augen. Er war etwas größer als ich und von schlanker Gestalt. Auf jeden Fall wirkte er frischer als ich; als käme er gerade aus einem Bürotag hierher, aber ohne jede Spur von einem Langstreckenflug über den Atlantik.
»Ich bin Emma Ritter.«

Im Kindle-Shop: Im Meer des Glücks

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10. Oktober 2017

'In diesem heißen Sommer' von Eva-Maria Farohi

Die junge Kleo hält sich für wenig attraktiv, nicht nur, weil sie nach einem Unfall immer noch gehbehindert ist. Sie beschließt, ein Jahr lang ihren Traum zu leben und im Süden zu malen.

Sie mietet sich auf der Finca des Malers Yves Dubois ein. Dieser ist zwar genial, aber auch schwierig und von Kleos Anwesenheit alles andere als begeistert. Dennoch kann er sich Kleos naivem Zauber und ihrer natürlichen Art auf Dauer nicht entziehen. Eine leidenschaftliche Affäre ist die Folge, und Kleo verliebt sich in den faszinierenden Mann. Dann erhält Yves eine neue berufliche Chance und geht fort.

Anfangs verzweifelt, wird Kleo zunehmend selbstbewusster und beginnt, auf eigenen Beinen zu stehen. Auch andere Männer bemühen sich um sie: Da sind ihr neuer Mitbewohner Jorge – und der charmante Angel. Doch kann sie Yves vergessen?

Gleich lesen: In diesem heißen Sommer

Leseprobe:
Sein Federkleid war blendend weiß. Der orangerote Schnabel mit dem schwarzen Nasenhöcker spiegelte sich in der glatten Oberfläche des Wassers und wetteiferte darin mit dem Blau des Himmels.
Seit über einer Stunde schon saß Kleopatra in dem Bistro etwas abseits des Garageneingangs und beobachtete den Schwan, der in dem Becken vor der Kathedrale majestätisch seine Runden zog. Immer wieder wanderte ihr Blick zu der mächtigen Kirche hinauf, dem Wahrzeichen von Mallorcas Hauptstadt.
Als der Kellner mit einem bezeichnenden Blick auf die längst schon leere Espressotasse wieder einmal am Tisch vorbeikam, sagte Kleo in bemühtem Spanisch: „La cuenta por favor.“
Er machte sofort kehrt. Wie aus der Pistole geschossen nannte er den Preis, und Kleo, die man nur dann Kleopatra nennen durfte, wenn man sie langfristig zu verärgern beabsichtigte, reichte ihm einen Zehn-Euro-Schein, sicher, damit keinen Fehler zu begehen, obwohl sie nicht verstanden hatte, welchen Betrag er forderte.
Kleo hasste Fehler ebenso, wie sie ihren Namen hasste. Denn wer hieß schon freiwillig Kleopatra Bienenstock?
Es war dies ein Geschenk, das sie ihren Eltern verdankte. Ihrer Mutter, um genau zu sein. Denn die war seinerzeit von den Erlebnissen ihrer Hochzeitsreise nach Ägypten dermaßen beeindruckt gewesen, dass ihre Obsession lange nach der Rückkehr ins heimatliche Österreich anhielt – zumindest jene neun Monate lang, nach deren Ablauf Kleo das Licht der Welt erblickte.
Zum Glück für den weiteren Nachwuchs blieb es bei dieser einen Reise, und Kleos Eltern verbrachten fortan ihr Leben wie bisher auch in dem überschaubaren Weinort nahe der Hauptstadt, ohne jemals wieder den Wunsch nach der großen weiten Welt zu verspüren.
So erhielt denn Kleos jüngerer Bruder den vergleichsweise harmlosen Vornamen Friedrich. Friedrich Bienenstock war auch der Name von Kleos Vater, ebenso wie der ihres Großvaters.
Friedrich Bienenstock stand daher in altmodisch rundlichen, ehemals vermutlich goldenen Lettern über dem Laden zu lesen, in dem die unterschiedlichsten Heilbehelfe angeboten wurden – jedoch nicht mehr ausschließlich.
Seit nämlich Kleos Vater im Geschäft das Sagen hatte, was zufälligerweise nicht nur zeitgleich mit seiner Eheschließung, sondern auch mit dem Ableben des bisherigen Firmenchefs zusammenfiel, hielt dort Kleos Mutter das Heft in der Hand.
Obwohl nach ihrem Schulabbruch ohne Berufsausbildung, wusste sie doch ziemlich genau, was sie von ihrem Leben erwartete. Mit Friedrich Bienenstock hatte sie es erreicht. Ab sofort war sie Geschäftsfrau.
Eine ihrer ersten Innovationen bestand darin, die goldenen Lettern über dem Geschäftsportal um einige weitere Buchstaben zu ergänzen, sodass künftig auch ihr Name dort stand: Elfi und Friedrich Bienenstock – und zwar genau in dieser Reihenfolge.
Als Nächstes beschloss sie, ihre Berufsausbildung nachzuholen.
Da ihr allerdings die Zeit, die sie in eine solide Bandagistenlaufbahn hätte investieren müssen, als überzogen lang erschien, erstand sie mehrere Eimer Kartoffeln und übte so lange, bis sie imstande war, mit dem skalpellartigen Messer nicht nur deren Schale, sondern auch die Hornhaut an den Füßen ihrer Kunden zu entfernen, ohne dass es zu unliebsamen Zwischenfällen gekommen wäre.
In weiterer Folge expandierte das altehrwürdige Unternehmen: Man bot fortan Fußpflege an – mit unerwartet großem Erfolg. Mehr und mehr erwies sich Elfi Bienenstock als tüchtige Geschäftsfrau. Sie hatte das erheiratete Unternehmen ebenso fest im Griff wie ihren Ehemann, die Angestellten und die beiden Kinder.
Da sie obendrein von leidenschaftlicher Sparsamkeit war, wuchs der Wohlstand der Familie im selben Ausmaß, in dem Fröhlichkeit und Herzenswärme abnahmen.
Nur ein einziger Punkt machte Elfi Bienenstock zu schaffen: Ihre Vernarrtheit in Friedrich Junior, ihren Sohn, in dem die sonst so praktisch veranlagte Frau ihren Meister gefunden hatte.
War sie Kleo gegenüber von kühler Strenge, wurde Friedrich alles nachgesehen. Bekam Kleo bei der kleinsten Bitte ein Ich habe kein Geld für so etwas zu hören, las die Mutter Friedrich jeden noch so ausgefallenen Wunsch von den Lippen ab, oft sogar noch früher, als er ihn überhaupt äußern konnte.
Dass sich unter diesen Umständen zwischen den Geschwistern eine tiefe Zuneigung entwickelte, grenzte an ein Wunder.
Doch Kleo hing mit hingebungsvoller Verehrung an ihrem jüngeren Bruder.
Er wurde ihr Beschützer, ihr Spielkamerad, ihr Freund. Und nicht nur einmal sorgte er dafür, dass Kleos Strafen, die sie selbst für die kleinste Verfehlung erhielt, auf seine Fürsprache hin ausgesetzt wurden – was bei Friedrichs ungleich schwerwiegenderen Missetaten unnötig war, da sie von selbst dem Vergessen anheimfielen.
Sosehr Kleo auch an dem Bruder hing, war sie dennoch nicht blind gegenüber der Entwicklung, die er nahm. Von Vater und Mutter gleichermaßen verzogen, wurden ihm niemals Grenzen aufgezeigt. Gewohnt, alles tun zu können, begann er, das Maß des Erlaubten immer öfter zu überschreiten, je älter er wurde.
Als der Kellner Kleo jetzt das schwarze Plastiktellerchen mit dem Wechselgeld brachte – an dem auch der Rechnungsbeleg säuberlich festgeklemmt war, damit ihn der Wind, der beständig vom Meer herüberwehte, nicht forttragen konnte –, wischte er so lange über den mittlerweile fleckenlos glänzenden Tisch, bis Kleo ihm einen Teil der Münzen zuschob.

Im Kindle-Shop: In diesem heißen Sommer

Mehr über und von Eva-Maria Farohi auf ihrer Website.

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9. Oktober 2017

'Verloren in Ägypten und Dubai' von Melanie Schumacher

Melanie ist Hausfrau und Mutter dreier prächtiger Jungs. Eines Tages schenkt ihr Mann ihr ein Laptop und verändert damit ihr ganzes Leben. Sie entdeckt die große weite Welt und fängt an, mit Männern aus fernen Ländern zu chatten.

Es wird zur Sucht und die virtuelle Beziehung zu dem Ägypter Mohamed aus Dubai zum Verhängnis. Sie glaubt an seine Liebe, wird ihm hörig und entschließt sich, zu ihm zu ziehen. Völlig devot folgt sie allen seinen Anweisungen. Zwei Monate lebt sie mit ihm in Port Said und folgt ihm anschließend nach Dubai. Aber das Leben dort ist alles andere als schön. Mohamed hat nicht nur sie, sondern auch ihr Bankkonto im Griff. Als nichts mehr da ist, ist sie gezwungen, nach Belgien zurückzukehren. Doch Zuhause ist nichts mehr so, wie es einmal war und schon kurze Zeit später fällt sie erneut auf einen Araber herein, dem sie monatlich Geld zukommen lässt. Wieder in der Hoffnung eines Tages, ein gemeinsames schönes Leben mit ihm führen zu können. Doch auch das ist eine trügerische Illusion.

Schonungslos offen und mutig erzählt die Autorin ihre wahre Geschichte.

Gleich lesen:
Bei Alaria.de kaufen: Verloren in Ägypten und Dubai: Mein devotes Leben mit arabischen Männern
Für Tolino: Buch bei Thalia

Leseprobe:
Zum Zeitpunkt meiner Scheidung war ich 37 Jahre jung und 14 Jahre lang verheiratet. Unsere Ehe war in den letzten Jahren ein ständiges Auf und Ab. Die Liebe war uns abhandengekommen und wir hatten uns wohl ziemlich auseinandergelebt. Unseren Kindern zuliebe hielten wir aber zusammen.
Wir lebten in einem sehr ruhigen, beschaulichen Dorf mit nur einem kleinen Lebensmittelgeschäft. Ich hatte mit den Dorfbewohnern am Anfang nicht viel Kontakt, der ergab sich erst als meine Jungs in den Kindergarten gingen und Spielkameraden brauchten. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass wenn im Dorf Feste wie Kirmes, Karneval oder Schulfeste gefeierte wurden, ich meistens ausgegrenzt wurde, obwohl ich die Gespräche zu den Leuten suchte. Selbst bei den Landfrauen im Dorf fand ich nicht den rechten Anschluss. Jeder lebte für sich, es wurde nicht viel nach einem gefragt.
Ich bin Mutter von drei Jungs. Damals zur Trennungszeit waren sie 6, 13 und 15 Jahre alt. Bis zum letzten Ehejahr konnte ich mich als gute, fürsorgliche, liebevolle und aufopfernde Mutter beschreiben. Meine Kinder waren mein Ein und Alles. In meinem Leben drehte sich alles nur um sie. Sie waren das Wichtigste für mich und die meiste Zeit verbrachte ich nur mit ihnen. Ich war immer für sie da und hatte sie nur selten allein gelassen. Alles was das Leben lebenswert machte, teilte ich mit ihnen. Ich gab ihnen alles was ich geben konnte. Das Wichtigste was ich ihnen immer gab, war meine Liebe. Daher konnte auch niemand verstehen, wie es so weit kommen konnte, dass ich sie dann später wegen eines fremden, arabischen Mannes verlassen würde. Ich selbst kann es im Nachhinein auch nicht mehr nachvollziehen. Ich erkläre es mir so, dass dieser Mann mich so manipuliert hatte, dass ich nicht mehr ich selbst war.
Vielleicht ist mein Verhalten auch auf meine Kindheit zurückzuführen, die bedingt durch die Krankheit meiner Mutter auch nicht immer einfach war.
Meine Mutter war zum Zeitpunkt meiner Scheidung 72 Jahre. Sie war immer eine gute, liebevolle und fürsorgliche Mutter. Jedoch hatte sie ihr ganzes Leben lang unter schlimmen Depressionen gelitten. Als wir Geschwister klein waren, musste sie oft ins Krankenhaus. In dieser Zeit musste mein Vater sich allein um uns Kinder kümmern, obwohl er ganztags als Maurer arbeiten ging. Wenn er arbeiten war, wurden wir getrennt bei Verwandten untergebracht. Später holte er sich eine Familienhelferin ins Haus, damit wir Kinder zusammen bleiben konnten, wenn er zur Arbeit ging.
Es vergingen einige Jahre bis meine Mutter nicht mehr stationär behandelt werden musste und sich wieder um uns kümmern konnte. Sie hatte mich und meinen Bruder nie ganz losgelassen und behandelte uns noch im Erwachsenenalter wie kleine Kinder. Sie bestimmte und kontrollierte unser Leben. Meine Schwester hingegen wurde von meiner Mutter anders erzogen. Sie konnte als Erwachsene selbständig ihr Leben führen, ohne dass Mama sich in ihr Leben einmischte. Nach meiner Scheidung ist das Verhältnis zu ihr noch schlechter geworden. Wir haben kaum Kontakt zu einander, aber sie hatte immer einen guten Draht zu meinen Söhnen und sorgte sich um sie, was ich ihr hoch anrechne.
Wegen meiner lieben Schwester hatte ich oft Auseinandersetzungen mit meiner Mutter und kein gutes Mutter-Tochter-Verhältnis. Erst Jahre später nach meiner Scheidung bemerkte sie, dass ich nicht mehr von ihr bestimmt und kontrolliert werden wollte.
Mit meinen Bruder Christoph konnte ich nie ein inniges Verhältnis aufbauen, auch wenn ich es mir sehr gewünscht hätte. Er hat zwei Seiten. Zum einem ist er ein hilfsbereiter und freundlicher Mensch, zum anderen kann er aber auch aggressiv und zornig werden. Ich denke, dass dies mit seiner Zuckerkrankheit zu tun hat, unter der er schon seit seinem 17. Lebensjahr leidet.
Meinen Vater sah ich immer als einen guten und liebevollen Menschen. Er war zu der Zeit 66 Jahre alt. Er war und ist auch heute noch eine starke Persönlichkeit. Egal was ihm auch im Leben widerfuhr, er wurde mit jeder Situation fertig und meisterte sein Leben immer sehr gut. Er ertrug sehr vieles mit Humor, war immer sehr fleißig und hatte sein ganzes Leben lang hart gearbeitet. Mein Vater und auch meine Mutter hatten nach meinen „arabischen“ Fehltritten alles für mich getan, damit ich in meinem Leben wieder Fuß fassen konnte.
Während meiner Ehe war ich immer ein sehr verständnisvoller, freundlicher und umgänglicher Mensch. Leider war ich sehr unselbstständig, unsicher und ängstlich. Ich getraute mich nicht einmal Auto zu fahren, weshalb mein Mann mich überall hinfahren musste. Die meiste Verantwortung schob ich meinen Mann zu, tat auch gerne was er sagte und kümmerte mich hauptsächlich nur um die Kinder.
Wir hatten viele schöne gemeinsame Jahre. Aber wie es so oft in Ehen vorkommt, lebten wir uns irgendwann auseinander, hatten uns nicht mehr viel zu sagen. An seiner Liebe zu den Jungs zweifelte ich nie. Er war immer ein sehr fürsorglicher und guter Vater.
Um die Geburtszeit meines zweiten Sohnes fing auch mein Leidensweg mit den Depressionen an, welche mich mal mehr, mal weniger auf meinem weiteren Lebensweg begleiteten. All die Jahre bis zum heutigen Zeitpunkt hielt ich mich mit Antidepressiva im Gleichgewicht – das hatte meine Mutter mir vererbt.
2007 als unsere Ehe auf der Kippe stand, schenkte mein Ehemann mir ein Laptop und meinte ich könne meine Zeit ja damit verbringen, wenn ich nicht ausgelastet sei. Nun wusste ich wieder etwas mit mir anzufangen, wenn die Kinder in der Schule waren. Ich entdeckte so viel Neues, surfte was das Zeug hielt und war dankbar über all die wunderbaren Informationen, die mein Leben von nun an bereicherten.
Irgendwann entdeckte ich die Partnerbörsen und Live-Chats. Ich war eigentlich nicht auf Suche nach einer Internetbekanntschaft, aber es ist dann doch passiert.
Niemand hatte mich darüber aufgeklärt, dass im Netz auch Gefahren lauern. Im Chat lernte ich einen gutaussehenden, sehr charmanten, arabischen Mann namens Mohamed kennen, der in Dubai lebte.
Die virtuelle Beziehung zu Mohamed, die von Tag zu Tag intensiver wurde, zog sich ein gutes Jahr hin. Ich war sehr schnell von ihm fasziniert und er zog mich wie ein Magnet magisch in seinem Bann. Ich war ihm irgendwie hörig und verhielt mich unterwürfig. Mit seinen schönen Worten und Verführungskünsten konnte er mich sehr beeinflussen und manipulieren. Das lag wohl daran, dass ich schon lange nicht mehr so umschwärmt wurde. Ich war so auf ihn fixiert, dass mein Ehemann, meine Kinder und meine Familie mich irgendwann nicht mehr erreichten. Nur für Mohamed war ich noch zugänglich, all die lieben Mitmenschen um mich herum waren einfach nicht mehr da, ich ließ es zu, dass dieser Ägypter in Dubai mein Leben und meine Familie zerstörte.
Aus weiter Ferne hatte dieser Mensch eine unheimlich große Macht über mich. Ich war süchtig nach ihm und habe täglich viele Stunden mit ihm im Chat verbrach. Ich musste noch lernen mich mit ihm auf Englisch zu unterhalten, denn ich konnte bis dahin kein Wort sprechen. Er hatte es mir dann auf sehr lustige und verständliche Art und Weise beigebracht. Es machte mir viel Freude die englische Sprache mit ihm gemeinsam zu lernen. Er brachte mir auch den Islam, die Kultur und die Traditionen seiner Heimat näher, damit ich eine Ahnung davon bekam, was mich später erwartete, wenn ich Mohamed im realen Leben treffen würde.
Ich war einfach nur überglücklich, Mohamed im Netz gefunden zu haben. Im Gegensatz zu meinem Mann nahm er sich viel Zeit für mich, redete mit mir, und zeigte sehr viel Verständnis für mich.
Natürlich blieb es meinem Ehemann nicht verborgen, dass ich eine Internetliebschaft pflegte. Einmal hatte er ein Telefongespräch zwischen mir und Mohamed abgehört. Das hat ihn so erschreckt, dass er wieder das Gespräch mit mir gesucht hat, um mich zurück zur Familie zu führen. Aber es war wohl zu spät, die Gespräche haben nicht gefruchtet. Daher suchten wir ein zweites Mal die Eheberatung auf. Es stellte dich allerdings schnell heraus, dass ich nicht mitarbeitete und so schlug auch dieser Versuch fehl.
Danach sollte ich eine Tagesklinik aufsuchen, welche ich nur einige Male besuchte und dann selber abgebrochen hatte. Egal was ich machte, ich war nur körperlich anwesend. Geistig war ich weit weg, weit in der Ferne bei Mohamed.

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6. Oktober 2017

'Crossroads' von Jürgen Albers

Norcott hatte das Gefühl, als öffne sich ein Abgrund zur Hölle. „Wer zum Teufel treibt denn so selbstsichere Spielchen mit uns?“

Juni 1940: Der Frühsommer erstrahlt über der britischen Kanalinsel Guernsey. Für den erfahrenen Londoner Inspektor Charles Norcott scheinen die beschaulichen Inseln im Ärmelkanal keine Herausforderung bereit zu halten. Doch das freundliche Sonnenlicht ist trügerisch und beleuchtet die Leiche einer jungen Frau. Kaum haben die Ermittlungen begonnen, als sich bereits neues Unglück zusammenbraut. Die deutsche Wehrmacht hat Frankreich überrannt und besetzt nun auch die britischen Kanalinseln in einem Handstreich. Nach einem zweiten Mord überschlagen sich die Ereignisse.

Auf einer kleinen Insel, abgeschnitten und besetzt vom Feind, muss Norcott erkennen, dass er es mit mehr als einem Gegner zu tun hat. Scheinbare Grenzen verwischen sich und die Welt scheint voller Masken. Auch im hellen Sonnenschein bleibt die entscheidende Frage: Hinter welcher Maske steckt ein Freund, hinter welcher der Gegner?

Gleich lesen:
Für Kindle: Crossroads: Ein Inspektor Norcott-Roman
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Leseprobe:
Die Mittagsstunden in Norcotts Büro zogen sich quälend langsam dahin. Das Telefon schwieg und auch sonst kamen weder gute noch schlechte Nachrichten. Der Chief Inspector saß an seinen Schreibtisch und machte wieder einmal einen neuen Ansatz, um dem ungeliebten Papierberg auf seinem Schreibtisch zu Leibe zu rücken.
Es war gegen halb zwei, als ihm der Geduldsfaden riss. Er beschloss, den Eltern William Henleys einen Besuch abzustatten. Vielleicht würde er von ihnen etwas mehr über Nora und William Henley erfahren. Die verborgenen Zimmer, wie Mrs. O'Meare es genannt hatte, der beiden Henleys beschäftigen Norcott. Irgendjemand in dieser Familie musste doch zum Reden zu bringen sein. Er nahm seinen Hut vom Haken, öffnete schwungvoll die Bürotür und wäre fast mit Constable Haydon zusammengestoßen, der davor stand.
Wenn nicht schon sein triumphierendes Gesicht Bände gesprochen hätte, so behielt er die gute Nachricht nicht lange für sich: »Ich hab sie! Sie ist auf der verdammten Liste. Sie wollte weg und ihn verlassen.«
»Und er ist nicht auf der Liste?«
Haydon war Feuer und Flamme und noch ganz außer Atem. »Entschuldigung, Sir … ich … muss erst mal wieder Luft bekommen.« So atemlos er war, so sehr strahlte er die Zufriedenheit des Anglers aus, wenn nach zähem Warten der Fisch an der Angel hing. »Nein, Mr. Henley ist sicher nicht auf den Listen. Alle, die sich evakuieren lassen wollten, mussten ausdrücklich angeben, ob und welche Familienangehörigen sich ebenfalls evakuieren lassen wollten. Und sie hat angegeben, dass sie allein geht. Und ich habe auch alle anderen Listen doppelt kontrolliert. Aber …« Er musste wieder nach Luft schnappen und Norcott war sich nicht sicher, ob immer noch der Dauerlauf vom Hafen die Ursache war oder die Neuigkeiten. »Aber das ist sowieso nicht der Knaller! Die Leute mussten auch angeben, ob sie Verwandte oder Freunde haben, wo sie in England unterkommen können oder ob sie sonst wie versorgt sind. Und jetzt lesen Sie mal, Sir, was die kleine ...«, er schluckte das Wort herunter. »Ich wollte sagen, was Mrs. Henley geschrieben hat!« Er hielt Norcott den Registerbogen hin.
Norcott las den Eintrag. Dann ging er wortlos zu dem Stahlschrank in seinem Büro, schloss ihn auf und nahm seine Dienstwaffe samt Holster heraus. »Nehmen Sie Ihre auch mit, wir gehen jetzt Mr. Henley besuchen!«

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